Formenvielfalt

Kammerabend der Dresdner Philharmoniker

»Forellenquintett« hatten vier Dresdner Philharmoniker ihr Kammerkonzert am Sonntag im Kulturpalast nach dem prominentesten Stück des Abends genannt. Adela-Maria Bratu (Violine), Beate Müller (Viola), Matthias Bräutigam (Violoncello) und Răzvan Popescu (Kontrabaß) wuchsen im Verlauf sozusagen um ihren Gast Andreas Hecker (Klavier), erst vom Quartett zum Quintett, mit Franz Schubert machte auch das Werk einen Sprung in der Größe – nach Anzahl der Sätze ebenso wie in seiner Länge.

Mit dem Klavierquartett g-Moll (KV 478) von Wolfgang Amadé Mozart gab es einen so standesgemäßen wie untypischen Einstand – zur Mozartzeit waren solche Werke eigentlich dafür gedacht, daß sie jeder zu Hause spielen konnte. Jedoch hatten alle drei präsentierten Komponisten Anforderungen an die Spieler gestellt, die nach Virtuosen und einem Konzertsaal verlangen. Bei Mozart stand die virtuose Geläufigkeit des Flügels einem geschlossenen Streichtrio gegenüber, oft dialogisch, was Adela-Maria Bratu, Beate Müller und Matthias Bräutigam in geradezu ebenmäßiger Form unterstrichen. Wie oft bei Mozart glich der langsame Satz im Grunde einer Arie, bevor das Rondeau noch einmal im Pendel zwischen Klavier und Streichern zu großer konzertanter Form auflief.

Johann Nepomuk Hummel, Kupferstich von Franz Xaver Stöber nach einer Zeichnung von Ehregott Grünler, Bildquelle: Wikimedia commons

Das vielleicht überraschendste Stück des Programms stammte von Johann Nepomuk Hummel. Als Meisterpianist zu seiner Zeit etwa auf der Höhe eines Franz Liszt, hatte er (als einziger) sowohl bei Haydn als auch bei Beethoven und Mozart gelernt. Gerade seinen Klavierkonzerten wird manchmal vorgeworfen, daß sie »nur« Mozart folgten, der Komponist aber nichts Neues erfunden hätte. Das ist schon insofern ungerecht, weil Hummels Einfallsreichtum enorm war – der Maßstab Mozart scheint nicht angebracht. Von Hummels Experimentierfreude und Überraschungspotential zeugt unter anderem sein Klavierquintett es-Moll (Opus 87), das – lange vor Schubert – in »Forellenbesetzung«, also mit Kontrabaß ausgestattet ist.

Es anzuhören erstaunte noch viel mehr, denn der »Nachfolger« Johann Nepomuk Hummel ging sehr frei und variabel mit Formen und Rhythmen um. Zuweilen schien es, als nähere sich sein Allegro dem Walzer und ahne einen Tango voraus! Von den Musikern äußerst vital dargeboten, offenbarte sich ein nicht minder »unstandesgemäßes« Menuett, bevor ein schubertisch dunkles Largo in ein munteres Finale überging, in dem fast jeder einmal solistisch aufwirbeln konnte. Und noch einmal schien der Komponist abzuheben, denn sein Allegro agitato lag verdächtig nah am Jazz.

Zunächst schien es auch nach der Pause, als blieben die fünf Musiker, die sich reihum am Thema beteiligten, auf Augenhöhe und behielten eine flexible Impulsivität. Allerdings bremsten ihre langen Pausen zwischen den Sätzen den Fluß merklich, kam die zuvor ausgewogene Balance immer wieder abhanden, im Thema con variazioni schließlich ging die Intonation (Violine) spürbar verloren. Wieder erfrischt, fand das Quintett im Finalsatz zwar zurück, konnte die Anfangsform aber nicht mehr ganz herstellen.

6. Februar 2023, Wolfram Quellmalz

Nächstes Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie: 9. März »Tango!«, Das Philharmonische Kammerorchester Dresden (Leitung: Wolfgang Hentrich) und seine Gäste Richard Galliano (Akkordeon) und Nora Koch (Harfe) spielen Musik von Claude Debussy, Richard Galliano, Béla Bartók und Astor Piazzolla, 12. März »Mecanic songs«, Mitglieder der Dresdner Philharmonie und Christoph Berner (Klavier) mit Werken von Thierry Escaich, Kalevi Aho, Henri Tomasi und Louis Farrenc

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