Sächsisches Vocalensemble und Dresdner Motettenchor führten Antonín Dvořáks Stabat mater auf
Am Palmsonntag ist ein wichtiger Termin im Kirchen- und Musikkalender. Sie fanden gestern in der Dresdner Kreuzkirche zusammen, als das Sächsisches Vocalensemble und der dresdner motettenchor – beide Chöre werden von Matthias Jung geleitet – zu Antonín Dvořáks Stabat mater einluden. Lange Schlangen und Besucher bis in die Emporen waren da zu erwarten – und kamen.
Ein wenig Glück braucht man manchmal, zum Beispiel, wenn Teilnehmer ausfallen. So mußte erst Tenor Markus Brutscher krankheitsbedingt absagen, in Martin Lattke fand sich aber ein versierter Ersatz. Noch etwas kurzfristiger traf es Matthias Jung beim Sopran: Maria Perlt hätte die Rolle übernehmen sollen, mußte aber Sonntagfrüh noch absagen – was tun? Glücklicherweise konnte Lindsay Funchal extrem kurzfristig einspringen. Die gebürtige Brasilianerin ist den NMB seit ihrem Studium in Dresden bekannt, am Mittelsächsischen Theater haben wir sie seitdem schon einige Male erlebt. Immer in Opernrollen bisher, in Passionen oder Kantaten war sie uns bisher noch nicht begegnet. Ganz neu ist die Rolle für sie sicherlich nicht, auch wenn sie bisher wohl (noch) kein Schwerpunkt war. Ein Blick in die Programme zeigte: am Tag zuvor war Lindsay Funchal bereits in Freiberg beim gleichen Werk in einer anderen Veranstaltung eingesprungen.

Mater dolorosa (Schmerzensmutter), Gemälde von Tizian (1555), Museo del Prado, Bildquelle: Wikimedia commons
Soweit also war das Glück beteiligt, der Rest des Gelingens bzw. der Hauptteil lag aber in Vorbereitung, Übung und Arbeit. Allein aus den beiden Chören einen ganzen (großen!) zu formen, nötigt Respekt ab. Schließlich sind sie keine eineiigen Schwestern oder A- und B-Ensemble, sondern haben eigene Ausrichtungen. Wenn das Fügen so homogen klappt wie gestern gehört, kann man nur staunen (und sich freuen). Das traf in den prächtigen Eingangs- und Schlußchören ebenso zu wie im Wechsel mit Solisten oder dem Quartett (Pro peccatis suae gentis / Ach, für seiner Brüder Schulden). Bezaubernd geriet der Schluß, der zunächst eine glanzvolle Steigerung zu einem Höhepunkt enthielt und in die Amen-Fuge führte. Doch das eigentliche Ende folgte erst nach einer großartigen a-cappella-Sequenz und einer quasi-decrescendierenden Wiederholung (Auflösung).
Ergänzt wurde dieser gute Eindruck noch durch die Instrumentalisten der Musica Florea Prag, die den romantischen Gestus Dvořáks reich ausformten, mit ihren Solisten aber auch den Sängern auf Ohrenhöhe gegenüberstanden.
Die Sänger fanden sich ganz unterschiedlich in ihre Rollen. Etwas Mühe schien Martin Lattke zu haben, der aber nach und nach an Sicherheit gewann. Lindsay Funchal konnte mit reichem Vibrato ihre Opernherkunft nicht verbergen, was aber durchaus eine Belebung und Bereicherung war. Positiv überrascht hat Daniel Ochoa, den wir schon oft in verschiedenen Partien gehört haben. Doch so melodiös und einfühlsam wie gestern hatten wir ihn noch nicht erlebt! Vollkommen souverän war (wieder einmal) Henriette Gödde (Alt), der mühelos eine sinnliche Ausdeutung gelang. Hoch dramatisch war, wie ihr Solo im Inflammatus et accensus (Daß nicht zu der ew’gen Flamme) vom Andante maestoso – nun vom Orchester üppig gestaltet – in einen Marsch überging.
3. April 2023, Wolfram Quellmalz
Das Sächsische Vocalensemble können Sie gleich am Karfreitag wieder erleben. Es erklingen Werke des 17. und 18. Jahrhunderts von Domenico Scarlatti, Heinrich Schütz, Antonio Lotti und anderen (17:00 Uhr, Annenkirche Dresden). Ausführliche Informationen unter:
http://www.saechsisches-vocalensemble.de
Der nächste Auftritt des dresdner motettenchores steht am 24. Juni beim Elbhangfest auf dem Programm.