Dresdner Musikfestspiele mit einem Konzert des Festspielorchesters beendet
Nach exakt einem Monat gingen am Sonntag die Dresdner Musikfestspiele zu Ende. Eine kleine »Verlängerung« gab es diesmal noch: statt des Vormittags wie in den letzten Jahren fand der Abschluß nun am Abend statt. Im Kulturpalast, seit dem letzten Jahr (wieder) die Hauptspielstätte, trat noch einmal das Festspielorchester auf, am 1. September werden an gleicher Stelle das Orchestre Philharmonique de Radio France und Hilary Hahn den Reigen der Palastkonzerte fortsetzen.
Neben dem Palast gab es weitere 23 Spielstätten, an denen in 32 Tagen viel Musik zu erleben war. Das erste Drittel prägte die »Cellomania«, deren »Lange Nacht des Cellos« als besonderer Höhepunkt in Erinnerung bleibt. Das Cello Jan Voglers war im Abschlußkonzert noch einmal dabei.
Zu den Besonderheiten der Festspiele zählte auch das 2012 gegründete Dresdner Festspielorchester, das sich alljährlich zusammenfindet, um auf historischen Instrumenten dem Klang aus der Zeit, in der die Werke geschrieben wurden, nachzuspüren. Im Fokus stehen Stücke und Komponisten, die einen Bezug zu Dresden haben, wie Robert Schumann. Vor zwei Jahren wurden sein Cellokonzert und die zweite Sinfonie für CD aufgenommen, am Sonntag stand die dritte Sinfonie (aus der Düsseldorfer Zeit) auf dem Programm.
Begonnen hatten Dirigent Ivor Bolton und das Orchester den Abend aber mit Felix Mendelssohns genialem Opus 23, der Ouvertüre zur Schauspielmusik »Ein Sommernachtstraum«. Die originalen (oder nachgebauten) Instrumente – Flöten, Naturhörner, Streicher mit Darmsaiten – sind nicht nur etwas tiefer gestimmt als unsere Sinfonieorchester heute, sie klingen zuweilen rauher, gaumiger, weicher. Die Intonation ist eine andere, die Strahlkraft geringer, dafür haben die Stimmen eine größere Farbpallette, bleiben im Orchesterverbund charakteristischer und sind »heraushörbarer«. Mendelssohns Sommernachtstraum geriet auf diese Weise noch spukiger als sonst.
Ganz besonders taten die Instrumente Johannes Brahms‘ Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll Opus 102 wohl. Die Solisten Thomas Zehetmair (Violine) und Jan Vogler (Violoncello), welche in der Festspielzeit mehrfacht mit dem Orchester auftraten, hatten auch auf ihre Instrumente Darmsaiten aufgezogen und sorgten so nicht nur für einen warmen, romantischen Klang, sondern auch für verblüffende Effekte. Etwa, wenn sie mit dem Orchestertutti verschmolzen, um gleich darauf solistisch daraus hervorzutreten, wenn sie im Duett spielten oder mit einzelnen Orchesterstimmen (meist Bläsern) zu Terzetten zusammenfanden. Schon die knappe Einleitung des ersten Satzes geriet markant, bevor Jan Vogler sogleich die erste Kadenz entfalten durfte.
Fast jedes Instrument klingt »historisch« anders, ganz wunderbar zum Beispiel die Horngruppe, doch es war nicht der konservierte Klang, der entzückte, sondern die Lebhaftigkeit, die Spontanität des Augenblicks, die Ivor Bolton freizusetzen vermochte. Dabei verlieh er dem Werk sowohl eine kammermusikalische Attitüde (Andante), wie er dem sinfonischen Duktus Brahms‘ treublieb.
Auch in Robert Schumanns dritter Sinfonie offenbarte der Dirigent solche Augenblicke, verlockte die Zuhörer mit Soli selbst dann noch, wenn das ganze Werk energetisch angeregt drängte. Ob das »rheinische« im zweiten, der vollkommene Charakter der intermezzohaften Sätze drei und vier – es war ein farbiges Wetterleuchten, mit dem sich das Festspielorchester für ein Jahr vom Publikum verabschiedete. Doch zuvor bewiesen versammelte Hörnern, Trompeten und Posaunen, daß musikalische Blitze eindrucksvoller sind als das optische Funkeln ihres Blechs.
Nicht nur für sein Dirigat, sondern für seine Projektarbeit, erhielt Ivor Bolton schließlich den Applaus des Orchesters, das sitzenblieb und seinen Chef incl. sanfter Paukenschläge feierte.
Als kleinen Nachschlag gab es noch einmal »Nimrod« aus den Enigma-Variationen von Edward Elgar.
11. Juni 2018, Wolfram Quellmalz
Die nächsten Dresdner Musikfestspiele finden vom 16. Mai bis zum 16. Juni 2019 statt. Weitere Informationen auch zu den Palastkonzerten unter: http://www.musikfestspiele.com