Mit feiner Linienführung

Dirigent John Storgårds debütierte bei der Sächsischen Staatskapelle

Der letzte Aufführungsabend in dieser Spielzeit war Debut und Abschluß zugleich. Der finnische Dirigent John Storgårds stand erstmals vor dem Orchester und bewies in Stücken von Arvo Pärt, Lowell Liebermann und Jean Sibelius viel Feingefühl im Umgang mit dem musikalischen Material. Für Arvo Pärt war es der Abschluß seiner erfolgreichen Residenz als Capell-Compositeur. Viermal durfte Pärt in dieser Saison den Konzertabend mit einem seiner Stücke beginnen, außerdem gab es den langen Abend seines Portraitkonzerts. Mit »Trisagion« verabschiedete sich der Este auf die für ihn typische Art: ruhig und zurückhaltend.

Obwohl Arvo Pärt oftmals religiöse Bezüge aufgreift und der Glauben für ihn einen wesentlichen Impuls darstellt, läßt er den inhaltlichen Gehalt entsprechender Worte in seinen Werken oft nur durchschimmern, statt sie mit missionarischem Eifer verbreiten zu wollen. In vielem kommt er damit einem meditativen Sich-Finden nahe. So auch in »Trisagion«, das dem Duktus eines Gebets entspringt und eine Zwiesprache wiedergibt. Pärt hat eine Balance geschaffen, die innere Stimme und Zuhören einzuschließen scheint. In seiner gesanglichen Unaufdringlichkeit war das Werk ein kurzer, flüchtiger Moment – plötzlich war er vorbei.

Und wurde alsbald überstrahlt vom quicklebendigen Konzert für Piccoloflöte und Orchester Opus 50 des Amerikaners Lowell Liebermann. Weshalb das 1996 entstandene Stück zu den meistgespielten amerikanischen Orchesterwerken zählt, kann nachvollziehen, wer es am Mittwochabend in der Semperoper hörte. Äußerst lebhaft läßt Liebermann die Piccoloflöte (Solistin: Dóra Varga-Andert) springen und jubilieren, hat mit einem vornehmlich hellen Klang aber eine grundsätzlich freundliche Atmosphäre geschaffen. Und die ist nicht einfach schlicht und »heiter«, sondern erweist sich als äußerst reizvoll, etwa, weil es ständig korrespondierende Orchestersoli für die Soloflöte gibt, beginnend mit Klavier und Harfe über Hörner und Trompeten bis zu den großen Flötenschwestern. Dóra Varga-Andert steigerte sich in einem virtuosen Parcours, der in der Vogelstimmenkadenz des Adagios und schließlich im Presto-Finale gipfelte. Dabei bewies die Piccoloflötistin der Staatskapelle viel Sinn für einen kantablen Ton. Die Blumen bekam sie – eine besondere Anerkennung – von Flötenkollegin Rozália Szabó. John Storgårds hatte Dóra Varga-Andert den Raum gelassen, ihre Stimme zu entfalten, formte mit dem Orchester die Teile der Sätze schlank aus wie in einer Suite.

Solches Gestaltungsmaß kam auch Jean Sibelius‘ dritter Sinfonie zugute. Licht- und kraftvoll lebt das Werk von Kontrasten, einer reichen Bläserbesetzung. Die Staatskapelle fand darin dennoch (oder gerade) einen betörend luziden Klang, der mehrfach um die Cellogruppe oder das Hornquartett als tonales Zentrum ruhte, aber auch (wie im Finale des Allegro moderato) majestätisch glänzen konnte.

5. Juli 2018, Wolfram Quellmalz

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