Neue Jüdische Kammerphilharmonie Dresden entdeckt dem Publikum berühmten Komponisten
Für sein Orchester war es nicht nur ein ereignisreiches Jahr, faßte Michael Hurshell zusammen, sondern ein ganz bedeutendes, das von vielen Ur- und Erstaufführungen bereichert wurde. Vor allem Miklós Rózsa und Erich Wolfgang Korngold standen dabei im Mittelpunkt. Rózsa ist heute maßgeblich als mehrfach Oscar-prämierter Filmkomponist in Erinnerung, sein klassisches Œuvre wird dabei übersehen, Werke wie sein Quartett Opus 22 gilt es daher wiederzuentdecken. Von ihm wie vom Streichsextett Opus 10 Erich Wolfgang Korngolds hat Michael Hurshell Orchesterfassungen erstellt und sie – erst in einzelnen Sätzen, dann als Gesamtwerk – dem Publikum vorgestellt. Korngolds Sextett wird zum Beispiel im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele 2019 als Gesamtwerk erklingen.
Am Mittwochabend gab es im Pianosalon des Coselpalais das letzte Konzert der NJK für dieses Jahr. Mit Felix Mendelssohns beliebtem Trio Opus 49 schloß es heiter, in beschwingter Aufbruchstimmung ab. Dalia Richter (Violine) und Hans-Ludwig Raatz (Violoncello), die beiden Stimmführer des Orchesters, spürten dem Stück gemeinsam mit Pianistin Rieko Yoshizumi nach. Auch wenn der Komponist das Werk schon im »fortgeschrittenen« Alter schrieb, hat es nichts von der typischen Jugendlichkeit und elfenhaften Leichtigkeit verloren – das Scherzo mußte als Zugabe schließlich wiederholt werden. Und doch war es kein flüchtiger Eindruck. Dalia Richter und Hans-Ludwig Raatz durchflochten in den Variationen und Verarbeitungen der Themen ihre kantablen Stimmen, Rieko Yoshizumi fand dafür eine federleichte, weiche Entsprechung.
Mendelssohns Genialität hatte sich schon in Jugendjahren gezeigt, ganz ähnlich und doch auf ganz andere Weise hatte sich das Talent Erich Wolfgang Korngold seinen Weg gebahnt, wobei hier »Talent« als naturgegebene Begabung nicht hinreicht, das Phänomen Korngold zu erklären. Dieses Fazit bleibt zumindest nach der Aufführung der Sonate für Violine und Klavier Opus 6 – das Werk eines Fünfzehnjährigen! Übrigens war es vermutlich eine Dresdner Erstaufführung, denn eine Recherche ergab bisher keinen Nachweis, daß das Stück hier überhaupt schon einmal erklungen wäre.
Schon die Ausmaße nötigen Respekt vor der Arbeit ab, solch ein Werk zu erfassen, und auch das Schema eines Themas mit Verarbeitung gereicht hier nicht mehr! Geradezu halsbrecherisch sind die Ansprüche an die beiden Interpreten, denen Dalia Richter und Rieko Yoshizumi ausdrucksstark gerecht wurden. Das Opus 6 ist eine riesige Sonate, aber nicht monolithisch feststehend, sondern einem ständigen Wandel unterworfen. Leidenschaftlich blühend begann das Ben moderato, ma con passione, wobei vor allem die Violine die Passion entfacht. Dem steht ein Klaviersatz entgegen, der mit sprudelnden Akkorden ein Quell immer neuer Belebung ist – die musikalischen »Reibereien« hat Korngold fast theatral genutzt, um Kontraste zu schaffen. Zwar gibt es viele Ornamente, doch »zuckeriger Jugendstil« war es nicht, was hier geboten wurde. Schon den ersten Satz zeichneten Dalia Richter und Rieko Yoshizumi zunehmend expressiv.
An zweiter Stelle folgt bei Korngold bereits das Scherzo, das wie ein kleines Intermezzo beginnt, dann aber immer mehr wächst. Die Violine spielt kleine »Neckfiguren«, worauf das Klavier mal erwidernd, mal etwas heftiger reagiert – ein geistvoll-heiterer »musikalischer Zwist«
Eine Ruhepause gab es kaum, weder für die Spieler noch für die Zuhörer. Auch das nachgereichte Adagio blühte mit herbem Charme, schien aber sinnend und wandelbar wie die übrigen Sätze. All dem zu folgen war verblüffend, belebend und anspruchsvoll.
Korngolds Sonate ist eine echte Wiederentdeckung und ein Mittelpunktswerk, es schloß verspielt und sanft – ein wenig Wiener Jugendstil in Noten war wohl doch darin.
20. Dezember 2018, Wolfram Quellmalz
Am 2. Juni spielt die NJK neben dem Sextett von Korngold Werke von Marc Lavry und Paul Ben-Haim, als Gast wird der Klarinettist Ido Azrad erwartet.