Einfühlsamkeit und gestalterische Kraft

Liederabend mit Michael Volle und Helmut Deutsch in der Semperoper

Die Zeiten, da es regelmäßig große Liederabende mit Gästen an der Sächsischen Staatsoper gab, sind leider vorbei. Mittlerweile beschränkt man sich – mit Ausnahmen – auf Sänger des eigenen Ensembles und die kleine Bühne von Semper Zwei, während die regelmäßigen Abende vom »Lied in Dresden« in der Hochschule ausgerichtet werden. Im April gibt es nun zwar zwei glückliche Ausnahmen- wissen das alle?

Gestern machte Michael Volle den Anfang. Mit seinem Partner und Begleiter Helmut Deutsch bot er Balladen und ähnliches aus dem Schaffen Mozarts, Schuberts und Brahms‘ dar, darüber hinaus gab es drei Vertonungen des kaum bekannten Hermann Reutter.

Hier sei gleich zugestanden, daß Opernsänger im Liedfach reüssieren können – nein, eine Kunst, wie Lieder, zumal Schubert, klingen sollen, gibt es nicht. Will heißen: wer von der Bühne kommt und es gewohnt ist, dramatisch zu gestalten, der darf dies gerne auch im Lied, solang dies authentisch bleibt, auch der Liederabend verlangt den Sänger in Person und nicht nur als »Schatten«!

Und so gelang denn der Einstieg mit Wolfgang Amadé Mozarts dramatischer Kantate »Die ihr des unermeßlichen Weltalls Schöpfer ehrt« entsprechend bühnen- oder theaterreif. Michael Volle ist ein Gestalter, das spürte man hier nicht nur, das präsentierte er, füllte kraftvoll aus. Dabei verfügt er über ausreichend Ausdrucksmittel zwischen erhebendem Anruf und schlichtem Liedgesang. Darüber hinaus besticht der Bariton mit seiner glasklaren Diktion.

Freilich zeigte sich bei Schubert, daß nicht alles perfekt war an diesem Abend. In der Liedgruppe (u. a. »Dem Unendlichen« / D 291, »Prometheus« / D674 und »Die Allmacht« / D 852) spürte man gerade zu Beginn ein starkes Vibrato, ein leichtes Kratzen in mittleren und vor allem tieferen Lagen. Auch ein betonter oder verstärkter Vokalaufbau und -Ausgleich (vor allem bei gebundenen Vokalen wie »ei«) war vielleicht ein Hinwies auf eine kleine Indisponiertheit, die Volle technisch gekonnt überspielte. Indes schien die Innigkeit, wie im Lied »Im Abendrot«, gerade nicht natürlich und frei, sondern gewollt und gemacht, manches Mal geriet die hervorragende Diktion im Charakter zu deklamatorisch.

Ein Erlebnis waren die drei Lieder Hermann Reutters (1900 bis 1985), der Texte Friedrich Hölderlins vertont hatte – genau solche Entdeckungen sind es, die einen Liederabend, in dem der Sänger dem Publikum ein besonderes Œuvre erschließt, noch wertvoller machen. Michael Volle ließ seine Zuhörer hier eine Schattenwelt erspüren – in »An die Parzen« kontrastierte seine markante Stimme gewinnend mit dem süß umschmeichelnden Spiel des Pianisten. Überhaupt: Helmut Deutsch ist seit langem und zu Recht einer der besten, wenn nicht der beste Begleiter. Dazu gehört oft, unauffällig zu bleiben. Wie fein sein Spiel ist, zeigte sich aber nicht nur in derlei Kontrasten, sondern ebenso in den Nuancen, die mit dem Sänger geatmet schienen, in den in Nachspielen hinzugefügten Akkordfarben.

Mit Brahms »Vier ernsten Gesängen« Opus 121 zu Bibeltexten schloß der Abend, jedoch nicht im Dunkeln, sondern mit berührender Vergeistigung. Wenn Michael Volle »O Tod, wie bitter bist du« sang, formten Helmut Deutsch und er im vorhinein die Wehmut eines endgültigen Abschiedes – ein Gänsehautmoment!

Mit zwei Zugaben ging es noch einmal zu Franz Schubert zurück. Allerdings fehlten »Wanderer an den Mond« (D 870 nach Johann Gabriel Seidl) sowie »Wanderers Nachtlied« (D 768 nach Johann Wolfgang von Goethe) dann doch die (letzte) stimmliche Balance und Freiheit.

8. März 2019, Wolfram Quellmalz

Am 17. März ist Anja Harteros mit Wolfram Rieger in einer Liedermatinée (Beginn: 11:00 Uhr) der Semperoper zu erleben. Es erklingen Werke von Franz Schubert, Robert Schumann, Johannes Brahms und Hugo Wolf.

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