Sergio Azzolini zu Gast
Sie scheint unerschöpflich, die berühmte Musikaliensammlung des Dresdner Hofes, die seit dem 18. Jahrhundert im »Schrank No. II« verwahrt wurde und heute in der Sächsischen Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) zu finden ist. Mit um die 1800 verzeichneten Werken (und wenig Verlusten) ist sie zwar nicht un-, sondern – im Gegenteil – erschöpflich, dennoch würde es viele Konzerte dauern, sich einmal alle Werke ohne eine Wiederholung anzuhören. Und das – Wiederholungen – möchte man ja eigentlich gar nicht ausschließen bei so reizvollen Stücken.
Eine Wiederholung war auch der Besuch des Fagottisten Sergio Azzolini bei der Dresdner Philharmonie. Fast möchte man meinen, er hätte schon einmal eine Residenz hier gehabt – das war jedoch (noch) nicht der Fall. Schon früh genügte Sergio Azzolini das Solofagott jedoch nicht und er wandte sich dem Barockinstrument sowie Ensembles wie Baroque de Limoges oder dem Concentus Musicus Wien zu. Seitdem ist er ein Brückenbauer, musiziert historisch informiert mit Originalklangorchestern, aber auch mit modernen, in deren Reihen er sein Wissen trägt und so zum Beispiel als Leiter der Kammerakademie Potsdam für Aufführungen von Opern Antonio Vivaldis, Baldassare Galuppis oder Carl Heinrich Grauns sorgte. Am Sonnabend stand solches Musizieren bei einem gemeinsamen Auftritt mit der Dresdner Philharmonie in der Frauenkirche im Mittelpunkt.
Alle Werke waren dem Konvolut des »Schranck Nr. II« entnommen, wobei neben Antonio Vivaldi Jan Dismas Zelenka einer der bekanntesten Komponisten ist. Für Vivaldis Concerto g-Moll für Violine und Oboe, zwei Flöten und Fagott, Streicher und Basso continuo RV 576 versammelte sich sogleich die Gruppe der Solisten im Halbkreis vor dem Orchester und brillierten wie später im D-Dur-Konzert für zwei Violinen, zwei Oboen, Fagott, Streicher und Basso continuo RV 564amit ihren Stimmen. Das gemeinsame, musikantische Element war vorherrschend und bezeichnend, denn Tempo allein belebt ein Werk durchaus nicht. Vielmehr müssen Bezüge wie Duette oder Erwiderungen hervorgebracht werden, und manchmal sorgt dann eine elegante Überleitung der Theorbe (Magnus Andersson) in den zweiten Satz für einen Stimmungswechsel ohne Bruch. Gerade die zweiten Sätze legten die große Gesanglichkeit offen, mit der Azzolini sein Instrument beherrscht – von wegen »plump« oder »Baß«! Das Fagott kann eine große Wärme entfalten und Eleganz ausstrahlen, wenn es so gespielt wird.
Dem stand das Spiel der Philharmoniker in nichts nach. Eva Dollfuß (Violine), Undine Röhner-Stolle (Oboe) und Kathrin Bäz (Flöte) führten ihre Soli gleichermaßen brillant aus, wobei sich immer wieder Duette oder Trios ergaben. Gerade Jan Dismas Zelenka (Concerto »a 8 concertanti« G-Dur / ZWV 186 sowie Sinfonia »a 8 concertanti« a-Moll / ZWV 189) ließ die Spielerinnen und Spieler immer wieder in solchen Kombinationen erquicklich aufgehen, und (nicht) ganz nebenbei konnten die Zuhörer Olena Guliei (Violoncello) erleben, einen der jüngsten Zugänge des Orchesters, die einen gesanglichen, niemals dominierenden Ton pflegte.
Anmerken kann man höchstens, daß das Orchester recht groß war. Um den Raum bzw. die Musik auszufüllen hätte es weniger Streicher bedurft, doch war dies kein »Wermutstropfen«.
Neben den Stücken der bekannten Kollegen tauchte ein Concerto Franz Jakob Hornecks auf, das nicht nur als Werk kaum bekannt ist, auch über den Komponisten wissen wir heute nur wenig. Doch zum Hören bedarf es dessen gar nicht, denn der virtuos-gesangliche Fagottpart des in den Chor der Philharmoniker eingebetteten Sergio Azzolini war schlicht eine Bereicherung. Solofagott? Gerne!
19. Mai 2019, Wolfram Quellmalz