Offener Abschied des Orchesterdirigenten

Universitätsorchester mit »Lebenslinien«

Neben vielen Neu- und Wiederentdeckungen waren in den letzten fünf Jahren manche Werke Johannes Brahms‘ in Programmen des Universitätsorchesters zu erleben. Sein Leiter Filip Paluchowski hatte es nicht nur darauf »angelegt«, interessante Fundstücke zu präsentieren – natürlich will auch ein Liebhaberorchester einmal die ganz großen Stücke spielen. Daß man hierbei den Unterschied zu einem professionellen Ensemble doch merkt, ist selbstverständlich und in Ordnung – es sind eben weniger die Akzente von Klangfarben und Effekten, welche das Orchester fordern, Brahms verlangt eine Homogenität und ein Zusammenspiel, das eigentlich über Jahre wachsen muß und sich nicht so einfach realisieren läßt. Diese Herausforderung hatten die Laien bzw. Musikliebhaber jedoch angenommen, am Sonnabend war der Publikumsandrang vor der Lukaskirche wieder groß.

Und er wurde erneut belohnt – zunächst mit einer Ouvertüre Einojuhani Rautavaaras. Mit »In the beginning« hatte der finnische Komponist – vielleicht ganz bewußt – an seinem Lebensende ein Schlußwort formuliert, das neben dem Beginnen das Ende bzw. dessen Offenheit umriß. Die tiefen Streicher des Anfangs werden um Holzbläser ergänzt, schließlich führen die hohen Streicher ins Licht. Filip Paluchowski ließ gerade diesen Moment des Erwachens aufblühen, aus dem – nun rhythmisch angereichert – Leben zu entstehen scheint. Das Orchester entwickelte einen fließenden Sog, in dem man durchaus die »Lebenslinien« des Programmtitels finden konnte. Rautavaaras Stück endete so überraschend wie offen.

Das Podium gehörte nun Charlotte Thiele, der Solistin in Jean Sibelius‘ Violinkonzert – ein Standardwerk für Violinstudenten. Nach ihren Jahren als Schülerin am Sächsischen Landesmusikgymnasium studiert Charlotte Thiele seit Herbst in Weimar.

Sibelius stellte einen Gegensatz zu Rautavaaras Ouvertüre dar, denn hier nun begannen die hellen Streicherstimmen, ein Lichtflimmern zu intonieren. Sanft mischte sich die Solistin ein, legte die romantische Anlage des Stückes offen. Formal vollkommen anders als die Spätromantiker, hatte der Komponist doch deren Gesanglichkeit erhalten, wie hier zu spüren war. Interessant dürfte sein, den Weg der Interpretin und ihre Werkauffassung weiter zu verfolgen. Noch waren die zarten, süßen Töne vorherrschend, den herben Charme hielt Charlotte Thiele noch zurück.

Bach paßt als Zugabe immer, weiß man, und doch werden oft nur bestimmte Sätze aus den Solosuiten oder -partiten ausgewählt. Charlotte Thiele fand einen kontrapunktischen Ruhepol in ein Double aus der Partita h-Moll (BWV 1002).

Während ein professionelles Orchester seine Programme wesentlich an musikdramaturgischen Überlegungen ausrichtet, ist für Liebhaberorchester auch wichtig, daß alle Instrumentengruppen ausreichend beteiligt werden. Johannes Brahms‘ vierte Sinfonie entspricht dem sehr nachhaltig und stellt nicht nur enorme Ansprüche an die Interpreten, sondern sorgte auch für gehörige Spielfreude. Es war das letzte Konzert des scheidenden Orchesterleiters Filip Paluchowski, der für seinen Abschied noch das Finale aus Strawinskys »Feuervogel« als Zugabe aufgenommen hatte, das bis zu Harfe, Kontrafagott und Pauke das ganze Orchester beschäftigte.

2. Februar 2020, Wolfram Quellmalz

Am 18. Juli feiern Universitätsorchester und Universitätschor gemeinsam »70 Jahre Musik an der TU Dresden« mit einem Konzert im Kulturpalast.

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