Fast wie geplant

Sächsische Staatskapelle holt Aufführungsabend nach

Nachdem zwei Aufführungsabende im April und Mai hatten ausfallen müssen, hob die Sächsische Staatskapelle Dresden und das Programm des einen (fast) wieder zurück. Aus dem ursprünglich vierten Aufführungsabend wurde ein »außerordentlicher«. Um trotz reduzierten Platzangebotes mehr Publikum zu erreichen, wurde er an beiden Wochenendtagen aufgeführt. Das Platzangebot auf der Bühne (die Musiker spielten wieder vor dem Schmuckvorhang) ließ allerdings die geplante Uraufführung von »Fünf Stücke für kleines Orchester«, einem Auftragswerk des Capell-Compositeurs Aribert Reimann, nicht zu. Statt dessen rückten eine Sonate für Trompete, Streicher und Basso continuo Henry Purcells sowie Hugo Wolfs »Italienische Serenade« für Streichquartett ins Programm.

Beide Stücke wurden in bearbeiteter Form dargeboten, und so erklang zu Beginn Purcells D-Dur-Sonate (Z. 850) in einer Besetzung für zwei Trompeten und Blechbläser von Frederick Mills. Mathias Schmutzler, Solotrompeter der Staatskapelle, stand hier Henrike Genieser aus der Orchesterakademie zur Seite. Dem Quintett (außerdem Erich Markwart / Horn, Uwe Voigt / Posaune und Jens-Peter Erbe / Tuba) gelang dem »Aufklang!«-Motto entsprechend ein sauberer, hymnischer Beginn, dessen kurzes Adagio schnell zum wirkmächtigen »Herbei!«-Ruf (Allegro) wuchs.

Hugo Wolfs Serenade, ebenso kurz wie Purcells Intrada-Sonate, holte die Besucher dann mit der Streichorchesterfassung zurück in die Realität – so lieb manchem die 1:1-Konzerte in den letzten Wochen gewesen sein mögen, sie ersetzen doch kein sinfonisches Orchester, gleichrecht nicht eine Staatskapelle!

Schon Wolf hatte aus dunklen Streichern begonnen, die sich schnell mit Achteln belebten. Ein Meister in dieser Kunst war Felix Mendelssohn, von dem mancher glaubt, er habe nur ein Violinkonzert geschrieben, das merkwürdigerweise das »zweite« genannt wird. Nein, das zweite ist wirklich das zweite, es folgt dem Jugendwerk in g-Moll, das vielleicht (noch) nicht so brillant klingt wie die Schwester, aber einen schon früh gereiften Meister erkennen läßt. Matthias Wollong, Solist und Musikalischer Leiter des Abends, der als Primus inter Pares auftrat, hob es nun wieder einmal auf die Bühne. Das Werk bezieht seine Anfangsspannung ebenso wie Wolfs Serenade aus den dunklen Streichern, hellt dann aber schnell auf. Solist und Orchester setzten sich beiderseits gekonnt in Szene, hoben die Kontrastwirkung es Baßechos hervor, ohne überspitzt zu fokussieren, die Kadenz des zweiten Satzes gelang schwebend und fein. Das Andante hat Mendelssohn im Finale beschleunigt, mit jener Leichtigkeit, welche immer wieder den Elfenvergleich herbeiruft – selbst ohne »Sommernachtstraum«. Und auch dem Allegro ließen Matthias Wollong und die Sächsische Staatskapelle eine luftige Beflügelung angedeihen – von Einschränkung, Regression oder anderen Bremsen war dieser Klang vollkommen frei!

Den Wandel der Zeit hatte einst Joseph Haydn bemerkt und auf dem Deckblatt seiner Sinfonie Nr. 64 vermerkt. Von »Tempora mutantur«, von diesem Wandel eben, mag das Werk erzählen, oder waren Komponistengedanken und Werk nur gleichzeitig, aber unabhängig aufgetreten?

Die Gediegenheit mag das letztere vermuten lassen. Ganz gemäß, verhalten und angemessen schienen die Betonungen, die das Largo aus der Zaghaftigkeit holten, ohne daran zu reißen. Einmal durchatmen, dann ging es übers köstliche Menuett ins Finale.

29. Juni 2020, Wolfram Quellmalz

Auch das nächste Sinfoniekonzert ist eines im Sonderformat: Christian Thielemann wird am 11. Juli den »Aufklang«!-Zyklus mit Beethovens Sinfonien 1 und 2 sowie der Coriolan-Ouvertüre abschließen.

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