Haydns beflügelnder Geist in der Pillnitzer Weinbergkirche

Zum Abschluß der Spielzeit durften auch die Meisterwerke – Meisterinterpreten wieder spielen

Ursprünglich hatte das Marc Aurel Quartett im letzten Konzert der Reihe Meisterwerke – Meisterinterpreten die Brücke von Joseph Haydn zu Ludwig van Beethoven schlagen wollen. Schließlich mußten die Wiener den traditionellen Abschluß in der Pillnitzer Weinbergkirche jedoch absagen. Wie gut, wenn der Veranstalter selbst Musiker ist und mit seinem Ensemble einspringen kann. So übernahm das Eden Quartett (Annette Thiem und Mechthild von Ryssel / Violinen, Cornelia Schumann / Viola und Andreas Priebst / Violoncello) die Aufgabe und blieb bei Haydn – zumindest in seiner Nähe.

Denn neben dem zeitweiligen Haydn-Schüler Beethoven erklang ein Quartettsatz Roman Hofstetters, einem Verehrer Haydns, der diesem so gekonnt nachfolgte, daß ein ganzes Opus von ihm lange Zeit dem größeren Meister zugeschrieben wurde.

Das Andante cantabile aus dem Streichquartett F-Dur (als Nr. III:17 auch im Hoboken-Verzeichnis enthalten) ist der vielleicht bekannteste Satz und war gestern eine frühlingshafte (Wieder)eröffnung. »Frühlingshaft«, da die erste Violine so lerchenhaft singen durfte, während die Vögel draußen mit dem Beginn des Sommers das Singen praktisch aufgegeben haben. (Was einem das lärmige Tschilpen der Spatzen um so lieber macht.)

Andreas Priebst war nicht der einzige, der sich riesig freute, weil es nun endlich wieder Musik gab. Auf die konzeptbedingte Sitzplatzreduzierung reagierte er, in dem das Konzert am früheren und späteren Nachmittag zweimal gegeben wurde. Nach den Anklängen an den Lenz gab es mit Antonín Dvořáks Quartettzusammenstellung aus den »Zypressen« sommerlich-glutvolle Musik. Leicht, melodisch, schwelgerisch mischten sich nun alle vier Instrumente (die drei Begleiter hatten zuvor nur gezupft), ließen erahnen, daß die den ursprünglichen Liedtexten eingegebene Liebe nicht nur Innigkeit enthält, sondern darüber hinaus Wehmut, Melancholie, Leidenschaft. Im Zusammenspiel durften die vier Stimmen gleichberechtigt auf- oder hervortreten, wie die Viola im Andante con moto (Nr. 3 des gesamten Zyklus‘), der die Kollegen folgten. Mit dem Allegro scherzando (Nr. 10) gab es nicht nur einen besonders vitalen Abschluß, auch Satzfolge (Auswahl) und Form entsprachen dem, was man von einem »normalen« Quartett kennt.

Leichte Kürzungen hier, keine Pause da – ganz wie gewohnt war das Konzert noch nicht. Doch die Besucher, vor allem das zahlreiche Stammpublikum, bekam dennoch ein paar Erläuterungen und einleitenden Worte.

Und diese führten schließlich zum Gipfel Beethoven. Nummer 4 aus Opus 18, das c-Moll-Quartett, war der krönende Abschluß. Der junge Beethoven zeigt sich bereits auf erstaunlicher Höhe, im Erfindungsreichtum der Melodie ebenso wie in der Form. So hat der Komponist ein Fugato in Sonatenhauptsatzform als Scherzo kunstvoll in den zweiten Satz implementiert. Dort verband Beethoven auch ein pochendes Schicksalsmotiv mit dem Impetus des Aufbruches. Das Eden Quartett verlieh ihm im punktierten Menuett weitere Flügel. Das Allegretto des vierten Satzes entpuppte sich als einander munter umspielende Einzelstimmen, welche die Zuhörer Parforce in jene Aufregung versetzten, die Beethoven damals in Wien ausgelöst haben muß.

Als Dank und Abschied in den Sommer gab es noch einen beschwingten Walzer aus Antonín Dvořáks Opus 54.

6. Juli 2020, Wolfram Quellmalz

Die Reihe Meisterwerke – Meisterinterpreten startet planmäßig am 8. November im Ballsaal des Hotels »Königshof« in die Spielzeit 2020 / 2021. Näheres zum Terminen und Programm finden Sie unter: http://www.meisterwerke-meisterinterpreten.de/

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