Wiederöffnung, erster Teil:

Semper: Donnerstag ist wieder da

Zuletzt war es ruhig geworden, vielleicht nicht in, aber aus der Semperoper – manchen zu ruhig (in den letzten Wochen war die Kapelle nicht mit Musik, sondern wegen eines Disputs um die Strategien des Hauses zu Proben und Öffnung im Gespräch). Mit der Wiederaufnahme der Reihe »Semper: Donnerstag« gibt es nach dem Radiokonzert der Staatskapelle zum Gedenktag seit vorgestern endlich weitere wahrnehmbare künstlerische Zeichen.

Denn seit Mitte des Monats läuft wieder ein Probenbetrieb im Haus, künftige Produktionen können vorbereitet werden – solche, die kommen könnten. Im Mai stand die Premiere von Richard Strauss‘ »Capriccio« auf dem Programm, im Kalender der Oper ist der Termin jedoch bereits mit »Veranstaltung entfällt« vermerkt. Ein Fünkchen Hoffnung bleibt dennoch, immerhin wäre zum Beispiel – eine Öffnung des Hauses und eine Rückkehr des Kulturbetriebes vorausgesetzt – eine konzertante Aufführung möglich. Ob es dazu kommen wird, bleibt abzuwarten.

Mit Planspielen allein ist es aber nicht getan, die Vorbereitungen auf das Stück haben längst begonnen. Und so präsentierte die Semperoper im ersten Video der Neuauflage von »Semper: Donnerstag« den Monolog des Theaterdirektors La Roche aus »Capriccio«. La Roche ist mit jüngeren Kollegen, dem Komponisten Flamand und dem Dichter Olivier aneinandergeraten. Er hält ihnen eine Standpauke bzw. einen Monolog »Holà! Ihr Streiter in Apoll«

In würdevoll-königlicher Pose (weit ausgebreitete Arme, gebietende Hände) donnert Georg Zeppenfeld vom Balkon der Königsloge herunter »Ihr verhöhnt und beschimpft mein festliches Theater?!« – zunächst hören ihn aber weder Flamand noch Olivier, nicht einmal sein Publikum, immerhin aber der Opernstudienleiter Johannes Wulff-Woesten, der Zeppenfeld auf der Bühne am Flügel begleitet. Sekundenschnell wechselt La Roches Monolog, beschwört er Theaterszenen, malt Charaktere aus, tadelt und kritisiert. Den stetigen Wandel hat Georg Zeppenfeld schon glaubhaft und flüssig drauf, kann unvermittelt verschmitzt wirken, zornig mit den Augen blitzen, milde bitten, dann wieder unduldsam werden und nicht wenig selbstbewußt (oder gar selbstgefällig?) sein – nur daß die Kameraposition ebenso sekundenschnell wechselt, bringt zu viel Unruhe ins Bild.

Das Duo Zeppenfeld-Wulff-Woesten setzt die Szene musikalisch lebendig um. Mag man durch die Klavierfassung anfangs noch an die Form der Ballade erinnert sein, offenbaren die beiden Künstler schon bald die Ambivalenz der Figur, und wenn La Roche mit »Amen« endet, ist das der Gipfel seiner Selbstverliebtheit, aber nicht die Moral.

Während Georg Zeppenfeld vom Balkon herunter doziert, kann man das verschlungene Signum der Brüstung betrachten – ist’s ein verschnörkeltes »J« ? Etwa für König Johann? Nein! Denn im Abspann des Videos erfährt man noch ein Stück Operngeschichte: Es sind die Initialen Ernst von Schuchs, einem der prägendsten Direktoren des Hauses, dessen Ära unter anderem von der fruchtbaren Zusammenarbeit mit Richard Strauss geprägt gewesen ist und dem hier ein Zeichen der Erinnerung gesetzt wurde. Wer mag, erfährt auch noch die Anzahl der Sitzplätze des Hauses, naja, und die der LED-Birnen – gut, hoffen wir einmal auf »Capriccio« im Mai!

26. Februar 2021, Wolfram Quellmalz

Das Video kann (wie jene aus der ersten Serie) weiterhin auf der Seite der Semperoper aufgerufen werden:

http://www.semperoper.de/

Am kommenden Donnerstag, 17:00 Uhr, wird mit »Bar Classics« von Cole Porter bis Paul Simon der nächste Teil der online-Reihe veröffentlicht.

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