Marie-Elisabeth Hecker in der Musikalischen Andacht der Dresdner Auferstehungskirche
Zwar ist der Ostertermin vorüber, doch stehen die seitdem folgenden Tage noch im Zeichen des Festes. Am Freitag feierte die Gemeinde der Auferstehungskirche Dresden-Plauen die Woche nach dem Sonntag Quasimodogéniti mit einer musikalischen Andacht. Pfarrer Stephan Sawatzki leitete in seinem Wort von einem Teil der Ostergeschichte zu unserem Umgang mit dem Glauben bzw. mit Tatsachen (»Ich glaube nur, was ich sehe«) über.
Selbst Musik könnte man als Tatsache auffassen, schließlich ist sie ja in Noten – faktisch – notiert. Doch schon mit der Überlieferung dieser Fakten ergeben sich Fragen und Unsicherheiten, wie im Falle von Johann Sebastian Bachs Suiten für Violoncello solo, deren Autographe nicht erhalten sind. Selbst wenn verschiedene Cellisten aus der gleichen Notenausgabe spielen, schaffen sie doch immer wieder individuelle, lebendige, aber eben flüchtige Kunstwerke, die beim immer wieder neu (Be)hören nicht an Wert verlieren, keine bloße Wiederholung werden, sondern auch für immer neue Eindrücke sorgen.
Marie-Elisabeth Heckers Spiel konnte in der zweiten der Suiten (d-Moll, BWV 1008) besonders berühren, und das von der ersten Note des Préludes an. Man kann bei Bach an dessen Fugen, Chöre oder Kantaten denken, Werke, die oft von architektonsicher Raffinesse geprägt sind, und doch hält er immer wieder gesangliche, geradezu sinnliche Sätze bereit. Marie-Elisabeth Hecker führte vor, wie eng die Verquickung kontrapunktischer Bezüge und melodischen Reichtums sein kann, dabei begeisterte sie mit einem eleganten, körperreichen Klang, der die Melodiestimme bzw. den Atem oder Herzschlag immer im Vordergrund beließ – bloße Struktur ist eben nichts und Musik kein lebloser Fakt.
Statt dessen konnte man diese Musik nicht nur hören, sondern geradezu körperlich fühlen, wenn der Baß lange nachklingend pulsierte. Den langsamen, andächtigen Sätzen standen höchst lebendige, tänzerische gegenüber, die Courant steigerte Hecker zu ausgelassener Freude, auf welche die beinahe meditative Ruhe der Sarabande folgte, das Menuett sorgte für neuen Schwung, der in der Gigue eine energische Vollendung fand.
Mit ihrem Bruder Andreas spielte Marie-Elisabeth Hecker im zweiten Teil die Gambensonate g-Moll (BWV 1029). Nachdem das Cello zuvor im Gegenüber von Tenor und Baß sein virtuoses Können zeigen durfte, blieb es nun meist in der singenden Oberstimme, während das Cembalo deren zwei (je eine für jede Hand) vortrug. Der einleitende Vivace-Satz offenbarte seine konzertante Schönheit, mittendrin überrascht Bach seine Zuhörer, wenn er die Kontrapunktik plötzlich und durch eine synchrone Punktierung noch steigert.
Das Adagio nahmen die beiden Spieler geradezu arios, will heißen, die Musik durfte ausgesungen werden. Das Cembalo trat hier nicht in den Hintergrund, sondern war einfühlsamer Begleiter und überraschte mit zauberhaftem Harfeneffekt. Mit dem abschließenden Allegro kehrten Marie-Elisabeth und Andreas Hecker zur konzertanten Form zurück, einem exquisiten Vergnügen, das mit motorisch getriebener und brillanter, sprühender Lebhaftigkeit sowie behender Leichtigkeit gefiel.
17. April 2021, Wolfram Quellmalz
Die Auferstehungskirche setzt die Musikalischen Andachten am Freitagabend (jeweils 19:30 Uhr) im vierzehntägigen Rhythmus fort. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Am 30. April soll Barockmusik für Oboe und Violine erklingen. Weitere Informationen unter: http://www.auferstehungskirche-dresden.de/