Wo, wenn nicht hier?

Musikalische Andacht in der Auferstehungskirche Dresden-Plauen

Immerhin stehen die Kirchen offen, um ihren Gemeinden und Besuchern Einkehr, Andachten und Musik im Rahmen der Gottesdienste, Vespern und ähnlicher Veranstaltungen anzubieten. Wenigstens drei regelmäßige Reihen gibt es mittlerweile in Dresden, die sich durchaus unterschiedlich auf den Kirchenkalender beziehen. Pfarrer i. R. Dr. Christoph Schneider las am Freitag im Geistlichen Wort zunächst aus dem Alten Testament und fand bei Saul einen direkten Bezug zur Musik, deren heilige Wirkung er noch mit neuen Texten und Forschungsbezügen belegen konnte. Musik ist nicht nur, aber eben auch ein Antidepressivum und kann eine »transzendierende Eigenmächtigkeit« entwickeln. Sie kann zum Verständnis beitragen, ohne Worte erklären zu müssen, gibt Kraft – Christoph Schneider freute sich daher, ein Angebot wie jenes der Musikalischen Andacht machen zu können. Eigentlich sollte man dies überall tun, wo es, wie in der Auferstehungskirche praktiziert – mit den Regeln konform realisierbar ist. Die Musik, das Musizieren ist für den Pfarrer im Ruhestand eine Lebenserfahrung, von der er in seinem Geistlichen Wort berichten konnte, die bis in seine Knabenzeit und dem Singen im Chor zurückreicht.

Im Mittelpunkt des Musizierens standen Werke der Kammermusik. Dabei zeigte sich schon vor Beginn, wie sehr die Musik derzeit fehlt – ist es nicht wunderbar, wenn man den Spielern beim Stimmen zuhören darf, wenn man sich selbst dabei einstimmt? Neben dem Initiator Andreas Hecker (Cembalo) wirkten Elisabeth Beckert (Oboe) und Caspar Erler (Barockvioline) mit. Sie entführten ihre Zuhörer in ganz unterschiedliche Länder und zu verschiedenen Werkgattungen.

Mit Johann David Heinichen und der Triosonate c-Moll (S. 258) gab es einen »Dresdner« Einstand. Zuvor hatte Andreas Hecker – das ist eben »live« und für ein Cembalo nicht unüblich – sein Instrument noch kurz einrichten müssen. Handwerkliches Geschick und eine genaue Kenntnis des Aufbaus sind für Spieler von Tasteninstrumenten, vor allem solchen, die historisch oder nach historischem Vorbild gebaut sind, von Vorteil. Merke: auch ein Cembalist ist kein »Bediener« (einer Maschine).

Heinichens kurzes, kurzweiliges Trio geriet mit federnder Behendigkeit, das Largo offenbarte seinen wahren Charakter als Arienintermezzo, bevor das Presto geschwind und fulminant schloß. Mit der Sonate D-Dur Opus 5 Nr. 1 von Arcangelo Corelli hatte Caspar Erler seinen großen Auftritt. Corelli, ein sagenhafter Komponist und Virtuose, der nicht nur Sonaten hinterlassen hat und dem man die »Erfindung« (so der Begriff zählen darf) des Concerto grosso zuschreibt, ist nicht zuletzt durch Anekdoten und sein überliefertes Wirken berühmt. Er war auch ein Initiator, an dem sich viele nachfolgende Musiker »entzündeten«. Seine Violinsonate, die sich nach einem Grave (oder Prélude) rasch steigerte, zeugte von Erfindungsreichtum und Könnerschaft – Corelli war eben ein Spitzenmusiker, entsprechend sind die Ansprüche noch an heutige Interpreten. Caspar Erler und Andreas Hecker vernachlässigten aber den Ausdruck nicht zugunsten der Virtuosität Willen – tänzerisch, jubilierend oder graziös – erstaunlich, wieviel Farben allein aus zwei Instrumenten blühen können!

Kaum weniger staunenswert sind die Werke der Familie Couperin. Louis und François sind die berühmtesten Sprosse, das 11. Concert royal g-Moll spielten Elisabeth Beckert und Andreas Hecker, wobei sich die Oboe in wechselnden Rollen zeigte: als charmante Plauderin, fein artikulierend, aber auch von großer Gesanglichkeit und höfischer Raffinesse.

In Johann Sebastian Bachs Choralbearbeitung »Schmücke dich, o liebe Seele« (BWV 654) fanden die drei Spieler schließlich noch einmal zusammen.

1. Mai 2021, Wolfram Quellmalz

Die nächsten Musikalischen Andachten in der Auferstehungskirche Dresden-Plauen finden am 14. (Musik für Flauto traverso) und 28. Mai (Französische Musik für Oboe und Flöte), jeweils 19:30 Uhr statt.

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