Streichtrio der Berliner Philharmoniker in der Dresdner Frauenkirche
Selbst in »normalen Zeiten« sind Trios mit Streichinstrumenten eher selten zu hören. Klaviertrios sind deutlich populärer, auch das gängige Repertoire ist größer, von der Königsdisziplin der Kammermusik, den Streichquartetten, ganz zu schweigen. Diese gängige Einteilung birgt allerdings eine ungenügende Wertschätzung der Gattung, selbst wenn man in Betracht zieht, daß bei vielen Streichtrios die Violine deutlich hervorgehoben ist, den virtuoseren Part bekommen hat. Schließlich entstanden die meisten Werke nicht für etablierte Ensembles, sondern für privat musizierende Musikfreunde oder Familien – und dort bekam der jeweils beste Spieler eben die Violine.
Simon Roturier (Violine), Micha Afkham (Viola) und Marti Löhr (Violoncello), allesamt Mitglieder der Berliner Philharmoniker, bewiesen am Freitag in der Dresdner Frauenkirche, daß auch diese vermeintlich kleine Form groß werden kann, in Klang, Farbe und Präsenz, und eine geradezu sinfonische Ausgewogenheit erreicht. Von größtem Gewinn war – ob nun Resultat von Proben oder einfach mit Gefühl ausgelotet –, daß das Trio die Raumakustik spielerisch erfaßte, daß sich Spiel und Nachhall auch in Allegrosätzen nicht durchkreuzten. Damit war es leicht, den Feinheiten dieser besonderen Musik zu folgen.
Das Programm entsprach übrigens der ursprünglich im Jahresplan genannten Folge mit einem Streichtriosatz von Franz Schubert (D 471) zu Beginn. Und der entwickelte eine bezaubernd beflügelnde Wirkung – so wunderschön können Violine, Viola und Violoncello miteinander singen! Schubert hat ihre Stimmen harmonisch verknüpft und zeigt bereits eine erstaunliche Reife – wie schade, daß das Werk unvollendet blieb!
Mit Ludwig van Beethovens Streichtrio c-Moll Opus 9 Nr. 3 kam im Programm zur ausgewogenen Harmonik noch eine ausgefeilte Dramaturgie hinzu. Auch wenn zugegebenermaßen die Violine oft führte, kam doch kein Eindruck von Unausgewogenheit auf, wohl niemand wäre auf die Idee gekommen, Micha Afkham und Marti Löhr seien nur Begleiter. Immer wieder zeigte sich, daß Beethoven die Stimmen von Viola und Violoncello benutzt hat, um beispielsweise eine Spannungssteigerung aufzulösen, zur Basis zurückzukehren. Im Adagio con espressione dann wechselt das Thema zwischenden Instrumenten, das Trio wahrte stets den dichten Bezug untereinander. Im Finale setze es beinahe zu einem »Hummelflug« an, den Beethoven freilich nicht geschrieben hat. Vielmehr verflochten sich die Stimmen in zunehmender, unspektakulärer und harmonischer Komplexität – delikat!
Mit Wolfgang Amadé Mozarts Divertimento Es-Dur (KV 563) gab es dann nichts weniger als eine kleine Sinfonie zu erleben. Hier mußte man schon zweimal hinhören, um zu bemerken, daß da nur drei Spieler saßen. Die ließen ihren Stimmen (auch gegenseitig) bedachtsam Raum, ließen sie klingen und ausklingen und verzichteten auf die oft erlebte alberne Betonung der Schlußakkorde. Das Trio eroberte sein Publikum nicht durch Effekte, sondern verblüffende, großartige kleine Meisterwerke. Wie sich die Stimmen im fünften Satz paarten, gegenüberstanden, das Cello quasi im Diskant die beiden Kollegen aufmischte, war eine große Ohrenfreude!
3. Juli 2021, Wolfram Quellmalz
Die Dresdner Frauenkirche hat ihr Veranstaltungsprogramm wiederaufgenommen und bietet im Sommer zahlreiche liturgische und musikalische Begegnungsmöglichkeiten. Am kommenden Wochenende stehen eine Kirchenführungen und Orgelklang, eine Nachtschwärmer-Meditation (beides Sonnabend) sowie Auszüge aus Händels »Messias« auf dem Programm. Mehr dazu unter: http://www.frauenkirche-dresden.de/kalender