Dresdner Philharmonie feiert das Nachbarland Tschechien
Daß Serenaden für Bläser oft auch »Harmoniemusik« genannt wurden, machte schon der Beginn des Konzerts gestern im Dresdner Kulturpalast bewußt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren die Harmoniemusiken geradezu in Mode gekommen. Wesentlich beteiligt waren die deutschen, österreichischen und tschechischen bzw. böhmischen Bläser, die immer wieder hervorragende Solisten hervorbrachten. Nicht wenige übrigens aus der Unterhaltungsmusik, die uns heute als traditionelle Volksmusik noch vertraut ist.
Wolfgang Amadé Mozart hatte enge Kontakte zu verschiedenen Musikern, manche waren mit ihm befreundet. Seine Serenade für Bläser Es-Dur (KV 375) hüllten die Philharmoniker um Johannes Pfeiffer (Oboe) in einen geschmeidigen Glanz, der schon vom romantischen Verständnis der Nachfolgegenerationen zeugte. Zu Mozarts Zeiten mag es (mit historischen Instrumenten) noch anders geklungen haben, der Harmonie taten die weichen Rundungen gut. (Nicht) ganz nebenbei war es erfreulich, den Namen von Sarah Ennouhi, die in der letzten Spielzeit bereits mit mehreren exzellenten Einsätzen aufgefallen war, nun ohne den einen Gast kennzeichnenden Stern im Programmheft wiederzufinden – sie hat im August ihr Probejahr als Solo-Hornistin begonnen.
Wie aus einer anderen Welt ragte Bohuslav Martinůs brillantes Concertino c-Moll für Violoncello, Bläser, Klavier und Schlagzeug aus dem Programm. Im Gestus kaum böhmisch, finden sich manche Motive und volkstümlich verschlungene Reminiszenzen doch in den drei eng verwobenen Sätzen des kompakten Werkes. Nur nicht im Anfangsakkord, einem beinahe militärischen Staccato. Doch was folgte, war keine niederschmetternde Wucht der Fanfaren, sondern eine feingliedrige Aufspaltung des thematischen Materials. Der Staccato-Charakter wuchs hinsichtlich seiner Perkussivität, die von Pauke (Thomas Käppler), Schlagwerken (Alexei Bröse) und Klavier (Alfredo Miglionico) noch betont wurde. Peter Bruns war dabei Solist im Verhältnis eine Primus inter pares, der selten vordergründig wurde, einen frischen, beschwingten Ton über den Bläsern schweben ließ oder mit ihren Stimmen mischte. Auch die Piccoloflöte (Claudia Rose) war fast ganz im Ensemble verankert, ragte hier und da jedoch blinkend in die Höhe. Von avantgardistischer, fast expressiver Güte war die Cellokadenz, die Modernität atmete – vielleicht könnte man Martinů noch fokussierter entdecken, wenn man ihn nicht so tschechisch oder böhmisch sähe?
Unverkennbar böhmisch ist Antonín Dvořák. Nicht nur in seinem »Amerikanischen Quartett«, mehr noch in Werken wie der Serenade d-Moll für zehn Bläser, Violoncello und Kontrabaß. Bruno Borralhinho, der selbst Cellist ist, hatte nach Mozart das Dirigentenpult übernommen und für eine Wohlgeordnetheit bei Bohuslav Martinů gesorgt. Daß diese Ordnung eine im wahrsten Sinn des Wortes taktvolle war und kein langweiliger Maßstab, hatte sich dabei schnell bestätigt. Dvořáks Serenade gab sie nun eine geschmeidige Freiheit, die volltönend und noch »runder« geriet als Mozarts beschauliche Harmoniemusik. Die Serenade markierte einen Gipfelpunkt der Gattung, schien in ihrem Einfallsreichtum und der Ausgewogenheit vollkommen. Die Horngruppe (Sarah Ennouhi, Torsten Gottschalk, Carsten Gießmann) durfte im Finale schließlich wohldosiert schmettern, was sie zu Beginn bereits angedeutet hatte.
3. September 2021, Wolfram Quellmalz
Nach einem Zuckertüten-Konzert am Wochenende und dem Orgelzyklus am Donnerstag mit Karol Mossakowski (Bach und Messiaen) eröffnet die Dresdner Philharmonie ihre Spielzeit am 10., 11. und 12. September mit Beethoven. Auf dem Programm stehen sein Violinkonzert und das Streichquartett Opus 131 in einer Fassung für Streichorchester (Marek Janowski / Dirigent, María Dueñas / Violine, Dresdner Philharmonie). Weitere Informationen: http://www.dresdnerphilharmonie.de