Trio Verve

Jean-Yves Thibaudet, Lisa Batiashvili und Gautier Capuçon finden im Dresdner Kulturpalast zu einem aufregenden Trio zusammen

Der eine ist der aktuelle Residenzkünstler der Dresdner Philharmonie, die andere war es, der dritte könnte es eines Tages werden …

Pianist Jean-Yves Thibaudet, Violinistin Lisa Batiashvili und Cellist Gautier Capuçon sind heißbegehrte Solisten auf ihrem Instrument. Während Lisa Batiashvili und Gautier Capuçon ausgewiesene Kammermusikexperten sind und vor allem letzterer mit zahlreichen Partnern in Kammerkonzerten auftritt oder auf CDs zu hören ist, erlebt man den stets extravagant gekleideten Jean-Yves Thibaudet eher selten in dieser Disziplin. Sein angestammter Raum scheint die Rezital-Bühne zu sein oder die Rolle als Solist mit Orchester. Daß dies jedoch nicht ausnahmslos gilt und er sich für ausgewählte Anlässe ins Reich der Kammermusik vorwagt, bewies der Abend im Dresdner Kulturpalast gestern.

Es ist immer ungeheuer spannend, zu verfolgen, wenn ausgewiesene Individualisten zu einer Formation wachsen, wenn sie aufeinander hören, eingehen, sich anpassen. Im Idealfall geschieht dies symbiotisch, doch muß man zum Beispiel ein Klaviertrio gar nicht zwangsläufig immer am weltläufigen, geschmeidigen Beaux Arts Trio oder dem sinnentief prickelnden Wanderer messen. Gerade Unebenheiten und Eigenheiten können einem Werk besonderen Reiz verleihen – solange das Trio zu einem gemeinsamen Spiel findet.

Ein Gradmesser für solches Spiel ist Joseph Haydn. Mit dem Trio E-Dur für Violine, Violoncello und Klavier (Hob. XV: 28) begannen die illustren Gäste ihren Abend, und sogleich lenkte sich ein Fokus auf den Gattungsnamen und das Gestaltungsspektrum. Denn die drei Instrumente sind durchaus nicht immer zu gleichen Teilen eingebunden. Bei Haydn führt das zuletzt genannte Klavier meist an, auch wenn Violine und Violoncello zunächst ein Neckspiel im Pizzicato zu beginnen schienen. Die frohe Stimmung ließ eine Situation – auf Esterházy vielleicht – imaginieren, mit dem Kapellmeister und Kollegen oder Freunden. Gleichwohl: für den großen Saal schien das intime Stück zu klein, es hätte sich in einer Kammer und mit Cembalo vielleicht noch wohler gefühlt.

Den Gefühlen freien Lauf ließ Johannes Brahms – zumindest in der Musik. In seinem Trio Nr. 2 für Klavier, Violine und Violoncello stürmten die beiden Streicher schwärmerisch voran, das Klavier folgte behend mit einem Pianisten an den Tasten, der die süffigen, lebenshungrigen Töne nur so sprudeln ließ. Diese Verve war kennzeichnend für alle drei Spieler, und hier überraschte Lisa Batiashvili, die sich vielleicht am weitesten entfernt hatte vom eher zarten, lyrischen Ton, den man von ihr kennt. Gautier Capuçon, der anpassungsfähige, fiel da im Vergleich zu seinen Mitspielern ein wenig zurück, während Thibaudet und Batiashvili markant auftrumpften und ihre Führungsrollen ausspielten.

Berückend war, daß sie Brahms‘ Tonfülle mit Leichtigkeit zeichneten, strömen ließen. Die kräftigen Farben ließen durchaus Freiraum für feine Differenzierungen, strebten aufwärts. Agogisch am überraschendsten gelang nach dem eleganten Andante con moto vielleicht der dritte Satz, in dem sich ein Shakespearesches Drama aufzutürmen schien, das von den drei innig verbundenen, sich aber deutlich unterscheidenden Charakteren angestachelt wurde. Soviel zum Begriff »Scherzo«! Im Finale: Allegro giocoso ließen Jean-Yves Thibaudet, Lisa Batiashvili und Gautier Capuçon die Ausgelassenheit ordentlich schießen – das wäre durchaus ein guter Schlußpunkt gewesen, denn ursprünglich hatte Brahms‘ Trio erst nach der Pause folgen sollen.

Die Künstler hatten sich aber – vielleicht wegen der erneuten Steigerung der Verve? – dafür entschieden, das weniger reizvolle, aber zu seinen Zeiten im Salon ungemein erfolgreiche Trio für Klavier, Violine und Violoncello Nr. 1 d-Moll von Anton Arenski aus der Mitte nach hinten zu tauschen. Ja, der Rausch-Charakter ist noch etwas größer als bei Brahms, allerdings offenbart das Werk mit seiner stetigen Wiederkehr zum Thema eine gewisse Monotonie. Die Raffinesse eines Johannes Brahms hatte Anton Arenski eben nicht! Allerdings hinderte dies das temperamentvolle Trio nicht, ihn – sehr zum Vergnügen des Publikums – »mit Pfeffer« zu servieren.

Auf das andächtige Lauschen während der Darbietung folgte somit ein ungestümer Jubel, der mit Mendelssohn als Zugabe (Andante con moto tranquillo ausdem Trio d-Moll) belohnt wurde. Im Liedgesang der Stimmen konnte sich Felix Mendelssohn durchaus mit Johannes Brahms messen, sein Klang indes fiel graziler aus.

10. Februar 2022, Wolfram Quellmalz

Der Artist in Residence kommt noch einmal wieder: am 25. und 26. Juni spielt Jean-Yves Thibaudet mit der Dresdner Philharmonie (Leitung: Marek Janowski) gleich zwei Klavierkonzerte: eines von Maurice Ravel (G-Dur) und eines von George Gershwin (F-Dur). Weitere Informationen unter: http://www.dresdnerphilharmonie.de

Schreiben Sie einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Verbinde mit %s