Zwischen Märchen und Alptraum

Elbland Philharmonie ihr Publikum entführt nach Finnland

Nachdem die Elbland Philharmonie Sachsen musikalisch im letzten Sinfoniekonzert thematisch nach Italien gereist war, ging es diesmal ins frostige Finnland. Wie vor einem guten Monat zeigte sich das »Gastland« in unterschiedlicher Couleur und überdies nicht allein, denn auch am Donnerstag in der Marienkirche Pirna gab es ein Werk eines Komponisten aus der Region, Siegfried Kurz.

Aus aktuellem Anlaß wurde das Programm mit Blick auf die Situation in der Ukraine noch ergänzt. Dirigent Ekkehard Klemm hatte eine von ihm geschriebene Sequenz aus dem zwölftönigen Stück »fragment 89« (1992) herausgelöst und ließ sie in sieben Fassungen für unterschiedliche Besetzungen vor, zwischen und nach den im Programm geplanten Werken mit Orchestersolisten, dem Gast des Abends sowie mit Sologesang (Sopranistin Anna Palimina) und mit dem ganzen Orchester erklingen. Die Sequenz mit dem Text »Requiem aeternam, dona eis Domine. Et lux perpetua eis« (Möge das ewige Licht allen Opfern dieses Krieges leuchten) erfuhr durch die Wiederholung eine mahnende Wirkung, wegen der verschiedenen Besetzungen aber auch eine Wandlung. Gerade Solist Robert Oberaigner verlieh ihr einen besonderen Charakter durch eine langsame, kantable Interpretation, welche das Stück auf der Klarinette in die Nähe jüdischer Gebete rückte.

Ohnehin sind Oberaigners Technik und Ausdrucksvermögen verblüffend. Mit Bernhard Hendrik Crusells Klarinettenkonzert Nr. 2 Opus 5 führten der Solist und das Orchester die Zuhörer in kaum bekannte Gefilde – zumindest im Konzert hört man Crussell kaum. Wie auch die Klarinettenkonzerte Webers – schade um beide! Denn neben der eloquenten Klarinette offenbaren (und fordern) beide Komponisten versierte Virtuosen und gesangliche Qualitäten. Davon hat Robert Oberaigner viel zu bieten, noch die flinksten Läufe erklangen sauber ohne jedes Verwischen oder Rutschen. Ob die Klarinette »springen« oder »fallen« mußte – die fein phrasierten Töne waren jeder einzeln zu hören, dazu verfügt der Musiker über ein betörendes Piano und schien noch ausreichend Luft zu haben, das Orchester zu einer noch schnelleren Gangart zu animieren.

Begonnen hatte der Abend mit Siegfried Kurz‘ Sinfonia piccola Opus 24 von 1953 noch etwas hakelig. Die Einsätze von Bläsern und Streichern waren noch nicht synchron, Homogenität wollte sich nicht recht entfalten, an Vitalität mangelte es dem Stück dabei aber nicht. Während die Ecksätze in ihrer Verspieltheit zuweilen an Jean Françaix erinnerten, klang der zweite, von Oboe und Flöten getragene, geschmeidig.

Während sich Bernhard Hendrik Crusells Blick nach Europa gewandt hatte, verbindet man die Musik seines Landsmanns Jean Sibelius‘ nicht nur mit nordischen Attributen – er hat sie wesentlich mitgeprägt. Mit zwei Suiten, Pelléas et Mélisande Opus 46 und Cassazione Opus 6, ging es nach der Pause ins geheimnisvoll Nordische, wobei Ekkehard Klemm mit Stolz darauf verweisen konnte, daß er Cassazione in der Fassung für kleines Orchester mit seinem damaligen Orchester in Greifswald einst sogar uraufgeführt hatte. Während zuvor Thematik und virtuose Soli die Musik bestimmten, war es nun die Stimmung. Pelléas et Mélisande ist kein heiteres Sujet – auch der Suite haftet viel Spukhaftes, Unheimliches an. Gleichwohl mochte der eine oder andere bei »Mélisande am Spinnrad« an das Lied der Spinnerinnen aus dem »Holländer« denken. Es zeigte sich wieder: Konzertbesuche sind mitunter mit Entdeckungen und Überraschungen verbunden. Etwas fröhlichen Überschuß gab es schließlich doch noch im offiziellen Programm mit Cassazione. Den eher andächtigen Schluß bildeten die beiden Fassungen der Sequenz für Gesang und Orchester.

4. März 2022, Wolfram Quellmalz

Im 4. Sinfoniekonzert blüht der Frühling musikalisch auf. Neben einer Suite Gerhard Pauliks und Robert Schumanns Frühlingssinfonie wird Solist Emmanuel Roch mit Joseph Haydns Klavierkonzert Nr. 11 erwartet. Konzerte am 31. März, 2. und 3. April, weitere Konzerttermine und Informationen unter: elbland-philharmonie-sachsen.de

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