Elbland Philharmonie muntert Winterwetter auf
Schon zu Jahresbeginn hatte die Elbland Philharmonie Sachsen »gegen den Strom« gespielt, reiste im Januar musikalisch nach Italien und Anfang März nach Finnland. Am Donnerstag hieß es in der Marienkirche Pirna »Im Tale blüht der Frühling auf«. Letztlich sollte man Programmtitel jedoch nicht allzu programmatisch festgezurrt lesen. Schließlich sind Wintereinbrüche für den Frühling ebenso typisch wie ein Trio im Menuett. Titel oder Untertitel sind immer dann gelungen, wenn sich darin Multiplikatoren verbergen. »Dresdner Linien« hätte es diesmal genausogut heißen können.
Mit einem Dresdner Komponisten ging es gleich los – Gerhard Paulik. Das Archiv der Elbland Philharmonie beherbergt unter anderem auch die Originalnoten eines Werkes von Paulik, die Suite 1962. Variationen über sorbische Tanz- und Liedmotive. Der fröhliche Reigen stand am Beginn des Programms, die Bläserbesetzung und rührige Trommeln betonten den vergnüglichen, ländlichen Charakter. In Pirna kam noch eine besondere Dresdner Linie hinzu, denn in der Kirche erklang zusätzlich als Entrée ein Jubilate von Gerhard Paulik für Orgel und gab vielleicht einen noch tieferen Einblick in Pauliks kompositorisches wie musizierendes Schaffen, schließlich wirkte er vor allem mit und für die Orgel, was in zahlreichen Aufnahmen immer noch gegenwärtig ist. Zu den musikalischen Partnern damals zählte Rudolf Mauersberger, den Platz an der Orgel hatte Florian Mauersberger übernommen, zwar kein Enkel, aber trotzdem mit dem früheren Kreuzkantor verwandt und mittlerweile als Kirchenmusiker an St. Marien tätig. Das Stück rahmt ein andächtiges Zitat (»Lobet den Herrn«) festlich ein, Florian Mauersberger verband die drei Teile harmonisch und festlich.
Nach dem Jubilate folgte später ein Jubilar – das Konzert fand am 290. Geburtstag Joseph Haydns statt. Die Dresdner Linien setzten sich fort, denn im elften der Klavierkonzerte Haydns (Hob XVIII:11), seinem bekanntesten, war Emmanuel Roch Solist. Er hatte einige Jahre am Sächsischen Landesgymnasium für Musik Carl Maria von Weber verbracht und studiert heute in München bei Antti Siirala – Dresdnern gut bekannt. Emmanuel Roch überzeugte nicht nur mit stupender Technik und geläufigem Spiel, sondern mit gekonnter Modulation und Klangformung. Vor allem aber hatte er zwei eigene Kadenzen dabei, die aus dem ersten und zweiten Satz weit in die Zeit nach Haydn eilten. Neben Klangsinn verfügte der junge Solist noch über Mut zum (gelungenen) Experiment – den innovativen Haydn hätte das sicher gefreut. Ekkehard Klemm fand eine wunderbare Balance zwischen exponierten und eingebundenen Soli sowie auftrumpfendem Tutti im Orchester.
Nach solchen Ausflügen überraschte die Zugabe, eine Eigenkomposition des Solisten, wohl nur wenige. Das Nocturne verriet wie die Kadenzen neben dem Klangsinn eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem Instrument und der Musikgeschichte.
Nach der Pause folgte Valentin Silvestrov Abschiedsserenade für Streichorchester. Sie galt nicht dem kürzlich genommenen Abschied des Komponisten von der Heimat, sondern einem verstorbenen Freund. Minimalistisch angelegt, erzeugt die Serenade eine ausgeprägte Stimmung, schien den Abschied festhalten zu wollen, der in seinen Rückblick auch frohe Erinnerungen einschloß.
Robert Schumanns »Frühlingssinfonie« war hierzu ein großer Kontrast, den die Blechbläser kräftig betonten. Sie wuchsen im zweiten und dritten Satz zu einem Chor, während die Ecksätze das Blühen heraufbeschworen, strömen ließen – wenn es im Tale noch winterlich war, so kam der Frühlingsruf diesmal aus der Marienkirche. Gleich nach dem Konzert gab es Blumen für Dirigenten und Solisten – manche Veranstalter haben die schöne Geste nach Corona (noch) gestrichen.
1. April 2022, Wolfram Quellmalz
Am 10. April (16:00 Uhr) musiziert die Elbland Philharmonie Sachsen mit der Kantorei St. Marien in Pirna Johann Sebastian Bachs Johannespassion (Leitung: Florian Mauersberger).