Tanz mit der Blockflöte

Maurice Steger zu Gast in der Dresdner Frauenkirche

Das Zürcher Kammerorchester ist fast schon eine Art Residenzorchester in Dresden, schließlich ist sein Music Director, Daniel Hope, auch Artist Director der Dresdner Frauenkirche. Am Sonnabend überließ er die Leitung des Klangkörpers aber Maurice Steger, der sich die Funktion freilich mit Konzertmeister Donat Nussbaumer teilte.

Denn hauptsächlich war Steger Solist und Akteur, der nicht nur wunderbar die Blockflöte(n) blies, sondern dem Konzert tänzerischen Schwung verlieh. Das direkte Anspielen von Kollegen gehörte ebenso dazu wie der flinke Wechsel zwischen den Flöten (Sopranino, Sopran, Alt und Tenor). Zum Teil war das eine Schau – musikalisch nicht zwingend notwendig und hier und da ein wenig zu flink, zumindest in den Tempi.

So gingen die Ansichten zu Johann Sebastian Bachs Concerto nach italienischen Gusto (BWV 971), kurz »Italienisches Konzert« durchaus auseinander – darf man solch ein Werk denn so bearbeiten, vom Klavier entfernen und auf ein Orchester mit Blockflöte übertragen? Man darf zumindest, wenn man das »Gusto« als »Geschmack« versteht und die vielen eigenen Bearbeitungen Bachs in Betracht zieht. Denn vor allem fiel auf: Maurice Steger übernahm keineswegs vordergründig die Melodiestimme allein, vielmehr entstand ein geschmackvolles Concerto grosso mit einem dicht ins Ensemble eingeschlossenen Solisten.

Etwas freier, aber auch »leutseliger« wurde es freilich mit »A Jacobean Masque Dance«, was großzügig mit »Anonymus« überschrieben war. Dabei sind die einzelnen Stücke der Suite, allesamt englische Musik des 17. Jahrhunderts, durchaus bekannt. Hier hätten Maurice Steger und das Programm gerne auf mehr Kenntnis (oder Interesse) des Publikums setzen und die Originale benennen dürfen, etwas weniger bunt in der Besetzung wäre die an sich großartige Musik geschlossener erschienen. Schließlich hörte man den Ground auch so wippen – da muß es Maurice Steger nicht zwingend optisch vorführen.

Nach so viel Aufgewecktheit sorgte »Fratres« von Arvo Pärt, längst ein Klassiker der Zeitgenössischen Musik, mit Philipp Wollheim (Violine) als Solisten im Altarraum, für meditative Entspannung vor der Pause.

Danach gab es, sozusagen als »Standortbestimmung«, ein originales Blockflötenkonzert von Antonio Vivaldi. In B-Dur (RV 375), denn der »rote Priester« hat weit mehr als »Il Gardellino« (RV 428)oder »Tempesta di Mare« (RV 433) geschrieben. Maurice Steger blieb bei einer vor allem in den Ecksätzen recht flotten Gangart, aber auch bei seiner typischen, geschmackvollen Gestaltung, die gerade im langsamen Satz, opernhaft singend und mit den Trillern einer Nachtigall versehen, für viel Ausdruck sorgte – ein sportiver Showman ist Maurice Steger bei aller Beweglichkeit doch nicht.

Das hinderte dennoch nicht den etwas enttäuschenden Eindruck des letzten Werkes, Ausschnitte aus Bachs »Goldbergvariationen« in einer Bearbeitung für Orchester. Wobei es sich hier um die Bearbeitung einer Bearbeitung gehandelt haben dürfte, denn der im Programm großzügig angegebene Dmitri Sitkovetzky hat »nur« eine für Streichtrio angefertigt (allerdings eine der besten Bearbeitungen überhaupt). Das Zürcher Kammerorchester orientierte sich wohl daran, ließ die (namentlich leider nicht angegebene) Cembalistin einen Satz und die Aria am Ende allein spielen, doch die vielen Besetzungswechsel, teilweise noch mit von Violinen auf Violen übergehenden Stimmen, zerstreuten den Eindruck eher als daß sie für Geschlossenheit sorgten.

17. Juli 2022, Wolfram Quellmalz

Tips: 20. Juli, 20:00 Uhr, Dresdner Orgelzyklus »Konträre Sichtweisen« mit Musik von César Franck, Maurice Duruflé und Jan Pieterszoon Sweelinck und Nicolas de Grigny (mit Christophe Mantoux / Paris), 24. Juli, 16:00 Uhr: Festliche Musik für Trompetenconsort und Orgel mit Jörg Röhrig, Gabor Vezelovski und Ralf Kermer (Trompeten), Ludwig Kurze (Pauken) sowie Domkantor Thorsten Göbel (Meißen, Orgel)

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