Sergei Nakariakov erstmals beim Moritzburg Festival
Der russisch-israelische Trompeter Sergei Nakariakov ist beinahe ebensolang bekannt wie das Moritzburg Festival. Seit den neunziger Jahren ist er vor allem für seine virtuosen Bravourstücke berühmt – Werke, die eigentlich nicht »auf die Trompete« gehören. Eine seiner ersten Einspielungen hieß entsprechend »Carmen fantasy« – Werke auf der Trompete zu spielen, die eigentlich auf eine Violine gehören, wurde zu Nakariakovs Markenzeichen.

Jetzt war er zum ersten Mal beim Moritzburg Festival und am Mittwoch gleich noch im Portraitkonzert vorab zu hören, wobei ihm mit Maria Meerovitch eine großartige Pianistin und Gestalterin zur Seite saß, die weit mehr als nur begleiten konnte. Das war vor allem im ersten der Stücke nötig, denn Wolfgang Amadé Mozarts Violinsonate e-Moll (KV 304) verlangt gerade nicht nach Vivaldi’scher Virtuosität, sondern nach einer einfühlsamen, symbiotischen Auffassung. Sergei Nakariakov hatte dafür die Trompete gegen ein Flügelhorn getauscht, welches der ersteren zwar ähnelt, mit seinem konischen Rohr und seinem weiteren Schalltrichter einen viel weicheren Ton erzeugt. Die Piani, welche Sergei Nakariakov erzeugte, waren schier unglaublich – so zurückhaltend hört man ein Blechblasinstrument kaum einmal! Offenbar lag dem Spieler mehr daran, sich der Idiomatik der Violine zu nähern, diese (beinahe) zu imitieren – bezaubernd!
Im Vergleich kennt man die Fantasiestück Opus 73 von Robert Schumann mittlerweile in vielen Fassungen. Neben der Klarinette haben bereits Cello, Oboe und Violine ihre Ansprüche angemeldet, nun können wir das Flügelhorn in elegantester Weise dazuzählen. Anders als im Hauptprogramm haben die Portraitkünstler Gelegenheit für eine Zugabe: Peter Tschaikowskis Lied »Nur wer die Sehnsucht kennt« – romantischer geht es kaum!
Noch einmal Mozart gab es im eigentlichen Abendkonzert: Adagio und Fuge c-Moll (KV 546) wird gern von Streichquartetten gespielt. Hier erklang es einmal im Quintett mit Kontrabaß (Mira Wang und Nathan Meltzer / Violine, Sara Ferrández / Viola, Jan Vogler / Violoncello sowie Janne Saksala / Kontrabaß), was dem Stück eine überraschend dunkle Färbung verlieh, aber der Praxis im Hause van Swieten, welches Mozart häufig besuchte (wenn dort Bach und Händel musiziert wurde) und dem dabei eingesetzten Baß wohl näher kam als ein Quartett.
Akademistin Marlene Wendl (Klarinette), Philipp Zeller (Fagott), Sergei Nakariakov (nun Trompete), Kevin Zhu (Violine), Christian-Pierre La Marca (Violoncello) und Maria Meerovitch stimmten danach Bohuslav Martinůs heitere »Küchenrevue« (La Revue de Cuisine) an. Ursprünglich als Ballett geschrieben, konnten im Konzert auch jene Besucher an der Suite Vergnügen haben, welche die Geschichte um Topfdeckel und Schneebesen nicht genau kannten. Im fröhlichen Disputieren zeigte die Pianistin noch einmal, wie sich Struktur und Harmonie fügen; ein kecker Höhepunkt waren das Duett von Fagott und Klarinette, welche die Stimmlagen getauscht zu haben schienen. Ein süffiges Tutti beendete die Revue.
Zeit für Brahms – noch einmal. Dem Streichsextett Opus 36 sagt man nach, der Komponist habe es zum Abschied seiner Liebe zu Agathe von Siebold geschrieben, denn er hat sowohl ihren Namen als auch ein »Adé« darin versteckt. Das erste Cello (Christian-Pierre La Marca) schien wiederum mit ihrer Stimme zu singen. Ein Abschiedsjammer ist es indes nicht, dafür sorgen nicht zuletzt die beiden Schlußsätze, die ihr Temperament jeweils poco (etwas) mäßigen.
Oder nicht? Neben der Mäßigung enthält das Werk viel Erregung, zunächst nur im Tremolo der Viola (Lars Anders Tomter) angedeutet, ergriff sie schließlich auch die übrigen Spieler (Mira Wang, Nathan Meltzer, Ulrich Eichenauer / Viola und Aleksey Shadrin / Violoncello).
18. August 2022, Wolfram Quellmalz
Das Moritzburg Festival endet heute mit dem Abschlußkonzert und empfängt seine Gäste wieder vom 5. bis 20. August 2023. http://www.moritzburgfestival.de