Fulminanter Abschluß, optimistischer Ausblick

Pianist Rolf Plagge beim Pianoforte-Fest Meißen

Eines kann man dem Veranstalter immer wieder attestieren: während anderswo Virtuosität und Brillanz als übermäßige Attribute ein Konzert kennzeichnen (und leider oft das Ausbildungsprogramm vieler Studenten), lädt das Pianoforte-Fest Meißen Pianisten ein, die vor allem mit ihrer Gestaltung beeindrucken. Farbenreichtum allein genügt dafür bei weitem nicht.

Rolf Plagge beim Pianoforte-Fest Meißen, Photo: © Hagen Henke (http://www.fotoservice-henke.de)

So war es erneut am Mittwoch beim (leider schon wieder!) Abschlußkonzert in der wunderschönen Aula des Landesgymnasiums Sankt Afra. Das Programmheft wies als erfahrenen Pianisten Rolf Plagge, dessen Lebensweg sich unter anderem mit Paul Badura-Skoda und Wilhelm Kempff kreuzte, vor allem als Hochschullehrer (Mozarteum Salzburg) und Duopartner von Wolfgang Manz aus. Nun  sind selbst die besten Hochschulprofessoren nicht zwingend gute Konzertpianisten, manchem Klavierduopartner fehlt ohne seine »Gegenseite« ein wichtiger Bezugspunkt. Rolf Plagge gehört wohl weder zu den einen noch zu den anderen, denn er erstaunte, überraschte und begeisterte mit einer stringenten, durchdachten Gestaltung.

Und er kann sich – selbst das ist keine Selbstverständlichkeit bei Konzertpianisten – auf sein Instrument einstellen. Denn Veranstalter Jan Thürmer hatte natürlich ein hauseigenes Fabrikat, einen Thürmer-Flügel, mitgebracht. Und der wandelte sich gleich im ersten Stück, Wolfgang Amadé Mozarts Rondeau a-Moll (KV 511). Hell, leicht und silbrig erinnerte sein Klang an Cembalo und Hammerklavier. Daß dies keine grundsätzliche Eigenart des Flügels war, sondern nicht zuletzt vom Spieler hervorgebracht wurde, zeigte sich bei der Sonate C-Dur (KV 330), die sich direkt anschloß, und die deutlich mehr die Munterkeit eines moderneren Instruments in sich trug (wiewohl das Werk einige Jahre früher komponiert wurde als das Rondeau). Jetzt wurde die ausgeprägte Gestaltungskraft, mit der Rolf Plagge zum Beispiel den hell-dunkel-Kontrast der Teile des zweiten Satzes hervorhob, noch deutlicher.

Das abschließende Allegretto trug bereits dabei schon deutlich mehr als nur Munterkeit in sich. Rhythmisch getrieben und mit fliegenden Akkorden entwickelte es einen Impetus, der mit den letzten Noten bereits auf den nachfolgenden Komponisten hinzuweisen schien: Ludwig van Beethoven.

Aus der »Appassionata« genannten Sonate f-Moll Opus 57 machte Rolf Plagge eine Gipfelwanderung, die dramaturgisch ausgefeilt Spitzen erklomm und Täler durchschritt – ein hell-dunkel-Gegensatz fand sich auch hier im Andante con moto, jedoch anders als beim eher empfindsamen Mozart auf subtile, unter die Haut gehende Weise. Daß hier nichts auf Effekt zielte, sondern die Interpretation dem Geist des Stückes folgte, war vor dem aufwühlenden Presto-Finale längst klar.

In der Pause – auch das erlebt man selten – wurde im Publikum immer wieder eines konkret formuliert: jene spannende Erwartung auf Franz Liszts h-Moll-Sonate, die Rolf Plagge mit seinem Spiel geweckt hatte.

Die Erwartung wurde nicht enttäuscht. Liszts Maßlosigkeit in Weite, Umfang und Spannkraft führt bei seiner Sonate, die (je nach Sichtweise: drei) Teile in nur einem Satz zusammenfaßt, leicht zu Brüchen oder einem Sinken des Spannungsverlaufes, am Mittwoch war von solchen Abfällen jedoch nichts zu spüren. Über Akkorden sinnend schien es zunächst erneut auf Gipfel zu gehen, doch anders als bei Bruckner beispielsweise, der von seinen sinfonischen Gipfeln ausgehend Klüfte formuliert, beginnen bei Liszt fein ziselierte Verästelungen. Rolf Plagge folgte diesen, wobei sein Spiel munter blieb wie ein Bach. Und: manchmal ist ein bewußter, dosierter und maßvoller Pedaleinsatz sogar wichtiger als eine saubere Artikulation, weil es dem Ton – bis hin zum Ruhemoment – eine Gestalt gibt. Auf soviel Kraft und Spannung und den begeisterten Applaus ließ Rolf Plagge zur Ent-Spannung noch eine Prise Chopin folgen.

Man darf weiterhin gespannt sein. Im kommenden Jahr, machte Jan Thürmer Hoffnung, werde man sich beim Pianoforte-Fest Meißen wiedersehen. Mit solchen Konzerten gibt es also viel Grund zur Vorfreude.

29. September 2022, Wolfram Quellmalz

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