Prager Collegium 1704 sang Schütz in der Kreuzkirche
Am Sonntag jährte sich der Todestag von Heinrich Schütz zum 350. Mal. Das besondere Datum war Anlaß für ein ganzes Festjahr: »Schütz22« hieß es seit Oktober vergangenen Jahres. Nach der diesjährigen turnusgemäßen Ausgabe des Heinrich Schütz Musikfestes vor einem Monat mit vielen Veranstaltungen in Dresden kam nun das ebenso traditionelle Themenfestival »Vom Leben« im November hierher. Zudem begann die Musikhochschule im Rahmen ihres Heinrich-Schütz-Semesters am Dienstag Schütz-Festtage mit Workshop und Vorträgen. Silke Leopold referierte am frühen Freitagabend im kleinen Saal der Musikhochschule über »Lebenswelten eines Musikers in Zeiten des Krieges« und erinnerte daran, daß der uns so vertraute Kirchenmusiker Schütz ja eigentlich Hofcompositeur war – zu seinen Aufgaben gehörte neben der sakralen also auch Tafel- und Theatermusik. Nur ist die kaum überliefert, nicht zuletzt, weil Schütz die Kirchenmusik viel mehr am Herzen lag und er sich um deren Verbreitung, unter anderem im Druck, selbst kümmerte. Etwa dreiviertel seiner Dresdner Dienstjahre waren vom Dreißigjährigen Krieg gekennzeichnet. Trotzdem reiste Heinrich Schütz in dieser Zeit – nach Venedig (1628) und nach Kopenhagen (1633 bis 1635 und 1642 bis 1644). Zwar plante Schütz diese Reisen entgegen dem Kriegsverlauf, also durch und in weniger betroffene Regionen, dennoch entging er seinen Auswirkungen wie denen der Pest manchmal nur knapp.

Collegium 1704 in der Kreuzkirche Dresden, Photo: HSMF, © David Nuglisch
Für den Freitagabend gab es gar zwei Optionen, sich »in Sachen Schütz« zu vertiefen: die Musikhochschule schloß an den Vortrag einen Round Table mit Schirmherr Thomas de Maizière und Herfried Münkler an, wer den Gesprächen Musik vorzog, entschied sich wohl für das Collegium 1704. Das kam gut eine Woche vor seinem regulären Konzert im Rahmen der Musikbrücke Prag-Dresden wieder einmal in die Kreuzkirche. Heinrich Schütz spielten die Prager durchaus nicht zum ersten Mal. Aus den frühen italienischen Madrigalen oder Motetten hatten Václav Luks und seine Ensemble bereits musiziert, jetzt gab »Der Herr ist mein Hirt« (SWV 398 aus den Symphoniae sacrae III) dem Festkonzert Inhalt und Titel, später folgten »Feget den alten Sauerteig aus« (SWV 404) sowie »Lasset uns doch den Herren, unsern Gott, loben« (SWV 407) aus der gleichen Sammlung. Sie standen Werken Claudio Monteverdis gegenüber, dessen Musik Heinrich Schütz während seines Venedig-Aufenthaltes gehört haben muß. Ob er den Kollegen selbst getroffen hat, läßt sich indes nicht sicher sagen. Klar ist allerdings, daß die nach dem zweiten Venedig-Aufenthalt geschriebenen Symphoniae sacrae III vom italienischen Stil beeinflußt sind.
Das Collegium 1704 kam diesmal mit sehr kleinem Orchester nach Dresden. Kaum mehr als eine Continuogruppe nebst zwei Violinen und zwei (allerdings hervorragenden) Zinken (Adrien Mabire und Frithjof Smith) unterstützten den Chor – das Collegium Vocale 1704 war wieder einmal Hauptakteur, in Prag hat das großartige Gesangsensemble sogar eine eigene Konzertreihe. Die verdient es auch, denn es ist wandlungsfähig, kann sich in Stimmung, Ausdruck und Dynamik Werk und Umgebung anpassen, zudem fördert es die Entwicklung von Solisten und bringt immer wieder neue hervor. Daher stand auch nicht nur ein Quartett zur Verfügung, was die Variabilität noch erhöhte – die Basis, der Chor, blieb konstant und sicher.
Und er entfaltete – bei Monteverdi noch ein wenig mehr als bei Schütz – seine hinreißende Wirkung, nicht zuletzt, weil er Spannungen zuließ, aber auch für Entspannung sorgte. Wer zum Beispiel hätte sich Monteverdis prachtvollem Dixit Dominus (SV 264) entziehen können? Das Werk entwickelte durchaus Aufregung, die sich schließlich in der Pracht des Gloria entlud. Gerade Kamila Zbořilová, Tereza Zimková oder Aneta Petrasová sorgten unter den Solisten für Glanzpunkte, die sich nicht nur in der Farbe, sondern ebenso in der Licht- oder Leuchtintensität und der Mattierung unterschieden.
Mit dem wiederholten Schluß von »Lasset uns doch den Herren, unsern Gott, loben« und der darin enthaltenen Friedenszuversicht verabschiedeten sich Václav Luks und das Collegium 1704 vorübergehend vom Publikum.
5. November 2022, Wolfram Quellmalz
Noch bis 17. November: »Heinrich Schütz und die Dresdner Kreuzkirche«, Ausstellung in der Kreuzkirche.
Nächste Konzerte mit Musik von Heinrich Schütz (Auswahl):
18. Dezember, 20:00 Uhr, Frauenkirche Dresden: Motetten, Choräle und Tanzsätze zur Advents- und Weihnachtszeit von Heinrich Schütz und Michael Praetorius zum Abschluß des Praetorius-Schütz-Jubiläumsjahres, Kammerchor der Frauenkirche, Instrumenta Musica, Leitung Frauenkirchenkantor Matthias Grünert
http://www.frauenkirche-dresden.de
28. Dezember, 19:30 Uhr, Annenkirche Dresden: Heinrich Schütz, Weihnachtshistorie SWV 435 und Magnificat SWV 468 sowie Werke von Johannes Eccard und Michael Praetorius, Dresdner Kammerchor, Instrumentalensemble, Hans-Christoph Rademann (Leitung), Gerlinde Sämann (Sopran), Georg Poplutz und Tobias Mäthger (Tenor), Felix Schwandtke (Baß)
http://www.dresdner-kammerchor.de
Das Collegium 1704 kommt ihm Rahmen der Musikbrücke Prag-Dresden bereits am Sonnabend wieder in die Annenkirche (19:30 Uhr): Georg Friedrich Händel, Dixit Dominus HWV 232, Jan Dismas Zelenka, Missa Omnium Sanctorum ZWV 21, Leitung: Václav Luks
collegium1704.com