Dresdner Bachchor mit Werken von Antonín Dvořák und Gabriel Fauré in der Martin-Luther-Kirche Dresden
Der »graue« November ist die Zeit für Abschiede, Stille und Rückzug, Requien gehören zu den Ausprägungen dieser Zeit. Sie dürfen jedoch keineswegs mit melancholischer oder gar trister Musik gleichgesetzt werden. Im Gegenteil: manche Werke sind von romantisch überhöhter Schönheit! Im Konzert zum Buß- und Bettag in der Martin-Luther-Kirche Dresden gab es Werke von Antonín Dvořák und Gabriel Fauré zu hören, die in Psalm- und anderen Texten nicht nur Biblische Geschichten ausmalten – beide Komponisten hatten es wunderbar verstanden, dem Text in Gesang und musikalischen Umrahmungen eine Form zu geben.

Martin-Luther-Kirche Dresden-Neustadt, Bildquelle: Wikimedia commons
Antonín Dvořáks Biblische Lieder begannen den Nachmittag in dunkel-verhangenem Gestus (»Wolken und Dunkel ist um uns hier«), doch schon mit der zweiten Zeile bzw. dem Wort »Gerechtigkeit« hellte sich dies auf – ein sanfter Farbschimmer blieb kennzeichnend für die weiteren Lieder wie für die anderen Werke. In der Fassung des Opus 99 für Solisten, Chor und Orchester gefiel nicht zuletzt die Ausgeglichenheit sowohl in der Verteilung von Solo- und Chorpassagen, als auch der Stimmen des Dresdner Bachchores. Kantorin Elke Voigt (Leitung) konnte mit der Sinfonietta Dresden sowie den Solisten Ewa Zeuner (Alt) und Clemens Heidrich (Baß) auf bewährte Partner vertrauen, die Jehmlich-Orgel spielte Domorganist Sebastian Freitag. Die Rolle der Orgel reichte von Einleitungen über instrumentale Begleitung bis zum Baß, den Sebastian Freitag sehr schwebend anzulegen wußte, aber ebenso effektvolle Triller wie im dritten der Lieder oder eine Harmonium-Imitation (siebentes Lied) gehörten zu seinem Repertoire. Gesungen wurde der Text übrigens im Original, also auf tschechisch, was nicht nur die Solisten, sondern auch der Chor bemerkenswert gut vollbrachten. Slawisch runde Vokale genügten dafür nicht, hier galt es noch, die besondere Weichheit von Konsonanten darzustellen, um die typische Idiomatik zu erreichen.
Mit dem Ave Maria für Alt und Orgel sowie dem O sanctissima für Alt, Bariton und Orgel stand noch einmal Antonín Dvořák auf dem Programm, bevor sich dieses Gabriel Fauré und der französischen Romantik zuwandte. Die Cantique de Jean Racine gehören (siehe oben) zum schönsten der Literatur, eigentlich sind sie viel zu kurz! Neben Tschechisch und Latein hatte der Chor also noch Französisch zu singen, was ebenso gelang. Überhaupt zeigte er sich sehr sicher, nur in manchen Pianopassagen oder bei aufgeteilten Stimmen schien der Klang etwas dünn oder etwas brüchig, wobei das wenig ins Gewicht fiel – abgesehen davon, daß es sich ja um einen Kantoreichor handelt, verstand es Elke Voigt sehr gut, dramaturgisch und dynamisch zu gestalten. In den Cantique wurde das Piano durch zum Beispiel ein entsprechendes Crescendo aufgelöst.
Auch im Gefüge von Chor und Orchester wogen solche Akzente – wichtig für die romantische Ausdeutung. Das Maß stimmte sehr gut, wie beim Chorcrescendo gab es keine Überdeutung oder Überbetonung von Effekten.
Solchermaßen gelang schließlich Gabriel Faurés Requiem ausgezeichnet – soviel Schönheitssinn durfte sein! Denn den Text zu verfolgen war leicht (die »Schönheit« brachte also nicht von Ziel oder Botschaft ab), und obwohl Fauré sowohl auf einen Dies irae als auch auf eine kraftvolle Ausgestaltung, wie wir sie von Barockkomponisten oder noch von Mozart kennen, verzichtet, fehlten die entsprechenden Passagen nicht – die Zeile »Quando coeli movendi sunt et terra« (»Himmel und Erde wanken«) hatte absolut dramaturgische Wirkung. Das Sanctus wiederum steigerte sich im Hosanna in expressive Farben.
Abgerundet wurde der erfreuliche, ja beflügelnde Eindruck durch die beiden Solisten, auch wenn Ewa Zeuner (die allerdings auch die Sopranpartie übernahm) ihren Ton mit reichlich Vibrato aufbaute. Clemens Heidrich konnte wie gewohnt bei bester Verständlichkeit sicher zwischen Baß und Bariton wandeln.
17. November 2022, Wolfram Quellmalz
Nächste Konzerte des Dresdner Bachchores: 10. Dezember, 19:30 Uhr, Martin-Luther-Kirche, Johann Sebastian Bach, Weihnachtsoratorium (Kantaten I bis III).
Bereits am 4. Dezember (17:00 Uhr) gibt es in der Martin-Luther-Kirche ein Adventsliedersingen, am Nikolaustag (18:00 Uhr) stellt das ensemble tresonare seine neue Weihnachts-CD »natus est jesus« vor.
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