Interview der Neuen (musikalischen) Blätter mit der jungen Dirigentin.
NMB:
Sie haben an der Musikhochschule Bach-Kantaten und später Orchesterkonzerte dirigiert – kamen Sie, wie manche Ihrer Kommilitonen, vom Chor und haben sich dann dem Orchester zugewandt?

Katharina Dickopf, Photo: © Sophie Notzon
Katharina Dickopf:
Ich kam eigentlich vom Klavier, aber dann war schon früh die Liebe zum Sinfonieorchester da. Zunächst hatte ich für ein Wochenende an einem Meisterkurs teilgenommen, was sehr gut funktioniert hat, so daß ich bald kleine Laienensembles dirigiert habe wie die Jugendgruppe des Heidelberger Frühlings bei einer Uraufführung. Das war so der Anfang.
NMB:
Hier haben Sie aber auch schon einiges gemacht und verschiedene Lehrer kennengelernt. Welche waren prägend?
Katharina Dickopf:
In meinem Bachelorstudium primär Ekkehard Klemm, für den Überblick und die Berufsrealität, das Praktische und Pragmatische. Auch in der Neuen Musik hat er mich sehr unterstützt, meinen eigenen Zugang und meine Leidenschaft dafür zu finden.
Bei Hans Christoph Rademann war die Probenarbeit prägend, wie er die Musiker inspiriert, das war eines der Schlüsselmomente mit ihm. Auch wie er in dem stressigen Alltag mit einem gefüllten Kalender lebt, mit vielen schönen musikalischen Momenten, wo man auch organisatorisch bis hin zum Umgang mit Sponsoren enorm zu tun hat.

Katharina Dickopf »Schicksal«
Christian Thielemann war unglaublich als Lehrer, das hatten wir gar nicht erwartet, daß er so auf Augenhöhe mit uns spricht, sehr respektvoll und uns einfach von sich aus Anregungen gegeben hat. Er hat sehr ehrlich erzählt, wie für ihn der Beruf ist, was es für Situationen gibt und wie er damit umgegangen ist – Dirigieren ist ein Selbsterfahrungsberuf!
Jetzt im Masterstudiengang habe ich Korrepetitionsunterricht bei Valtteri Rauhalammi, der eine unglaublich inspirierende musikalische Persönlichkeit ist. Er hat mich auch auf die Tannhäuser-Korrepetition in Schwerin vorbereitet, die ich im Sommer gemacht habe. Ohne ihn hätte ich nicht diese Souveränität und die Fähigkeit, auch das Komplexeste mit einfachen musikalischen Mitteln darzustellen.

Katharina Dickopf »Neuland«
Herr Sandmann vermittelt mir derzeit noch einmal technische Details, einen noch tieferen Einblick in die Stücke und Hintergründe. Das ist noch einmal super spannend – da bin ich fast ein bißchen traurig, daß ich so viel zu tun habe und nicht die ganze Zeit zum Unterricht kommen kann.
NMB:
Dirigieren Sie einen Chor anders als ein Sinfonieorchester?
Katharina Dickopf:
Ja. Angefangen beim Taktstock – a cappella dirigiert man zum Beispiel meistens ohne, das Orchester mit, das führt zu einer anderen Technik, anderen Bewegungsformen. Beim Chor muß man wirklich jeden Einsatz gut geben, beim Orchester reicht oft auch ein Blick. Dort ist die Selbstverantwortung auch größer.
NMB:
In der Oper kommen ja Chor und Orchester zusammen. Kennen Sie die Radebeuler Inszenierung von »Hänsel und Gretel«?
Katharina Dickopf:
Ja, sie lief ja schon viele Jahre und ist beliebt. Ich freue mich darauf, das nun selber einmal dirigieren zu dürfen.
NMB:
Sie haben aber auch eine Affinität zu Bildenden Künsten. Manche Ihrer Bilder (»Schicksal«, »Neuland«) erinnern mich an William Turner. Sie haben auch selbst schon Regie geführt – fällt es Ihnen schwer, sich bei anderen Regisseuren »rauszuhalten«?
Katharina Dickopf:
Das szenische Arbeiten fing bei mit einer Regieassistenz in einem Operettenworkshop von Sebastian Ritschel an. Das fand ich ausgesprochen inspirierend! Trotzdem war ich überrascht, als ich dann sofort gefragt wurde, die Hochschulproduktion für die Lehramtsmusiker (Leonce und Lena, 2018) zu machen.
Mittlerweile halte ich mich immer mehr zurück, freue mich einfach über die Aufgabenteilung, weil ich zum Beispiel die Szene unterstützen und viel mehr nachvollziehen kann, was ein Regisseur für den Arbeitsprozeß oder für die Szene braucht. Letztendlich sind die Sänger ja auch froh, wenn sie ein geschlossenes Bild haben, das musikalisch und szenisch zusammenpaßt.
NMB:
Sie pendeln bereits zwischen den Vorbereitungen in Radebeul und Proben in Schwerin. Dort steht im nächsten Jahr gleich zwei Uraufführungen auf dem Programm: »Der geteilte Himmel«, ein Musical, im Januar und im Frühjahr »Der kleine Prinz«, ein Ballett. Wie weit sind die Vorbereitungen?
Katharina Dickopf:
In Schwerin hatten wir die Bauprobe für das Musical schon im Juni, jetzt arbeiten wir musikalisch und szenisch. Das wird für mich auch das erste Mal, daß ich zwischen Proben dort und Vorstellungen hier pendele und mehrere Produktionen gleichzeitig betreue.
Das Musical »steht« schon seit Sommer einigermaßen, es gab nur noch kleinere Änderungen, insofern habe ich schon die Partitur bekommen, die Musik kennengelernt. Sie nimmt Klänge aus unserer heutigen Zeit auf, aber auch der DDR (es geht ja inhaltlich um diese Zeit), Schostakowitsch hört man einmal heraus – sehr spannend, aber auch ziemlich zugänglich, würde ich sagen.
NMB:
Da treffen sich im Publikum ja ganz unterschiedliche Generationen – jene, die das Damals erlebt und Christa Wolf gelesen haben, und die Nachgeborenen, die vielleicht eher den Zugang über das Musical finden?
Katharina Dickopf:
Ja, ich bin auch gespannt, denn es ist ja nicht so ein »richtiges« Musical-Thema, das ist schon schwieriger zugänglich, aber es ist schon recht gut verkauft, habe ich gesehen, also scheint das Interesse da zu sein.
»Der kleine Prinz« ist ein bißchen mit »heißer Nadel« gestrickt. Das, was es schon gibt, kleine Entwürfe, das geht eher in Richtung Neoromantik. Das wird dann spannend im Januar, wenn wir vorab schon einmal Aufnahmen für das Ballett machen, damit danach die Choreographie entwickelt werden kann, aber das Stück wird dann noch nicht komplett fertig sein – es wird spannend!
November 2022, Wolfram Quellmalz
»Hänsel und Gretel«, dramatische Märchenoper von Engelbert Humperdinck, Landesbühnen Radebeul, Vorstellungen im Dezember auf der Hauptbühne der Landesbühnen sowie im Großenhainer Schloß, alle Termine unter:
»Der geteilte Himmel«, Musical von Wolfgang Böhmer (Musik) und Martin G. Berger (Text) nach Motiven von Christa Wolfs gleichnamigen Roman, Premiere am 20. Januar am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin
»Der kleine Prinz«, Ballett von Xenia Wiest Komposition von Peer Baierlein, Premiere am 28. April am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin
http://www.mecklenburgisches-staatstheater.de/start.html
katharina-dickopf.de/