Konzert der Jungen Deutschen Philharmonie im Dresdner Kulturpalast
Das selbstgewählte Attribut »Zukunftsorchester« klingt schon ein wenig großspurig, zumindest, wenn man es so interpretiert, als würde hier die Zukunft kreiert – machen das andere denn nicht? Eigentlich ist »Junge Deutsche Philharmonie« doch schlicht und treffend und läßt schon vermuten, daß sich der Klangkörper aus Nachwuchsmusikern zusammensetzt, den besten Studentinnen und Studenten deutscher Musikhochschulen. Hier können sie noch über die Hochschulsinfonieorchester hinaus wirken, Erfahrungen sammeln – und experimentieren, neue Wege beschreiten. Erwarten konnte man also neuere und neue Werke, und davon brachte die Junge Deutsche Philharmonie (JDPh) gleich zwei mit. Zunächst feierte sie mit György Ligeti einen Jubilar (100. Geburtstag), Avantgardisten und Experimentator unserer Tage, nach der Pause erklang Minas Borboudakis‘ »Z – Metamorphosis«, ein Auftragswerk, welches das Orchester gerade zwei Tage zuvor uraufgeführt hatte.

Junge Deutsche Philharmonie, Photo: JDPh © Salar Baygan
Als Gradmesser erweisen sich natürlich jene Werke, die bekannt sind und Vergleichsmöglichkeiten bieten. Die JDPh hatte auch davon zwei im Reisegepäck: Antonín Dvořáks achte Sinfonie sowie das Konzertstück für vier Hörner von Robert Schumann. Jonathan Nott, Erster Dirigent und künstlerischer Berater der JDPh, wählte eine beherzte Gangart, vor allem bei Schumann gerieten Anfangs- und Schlußteil recht flott. Eine differenzierte Ausdeutung schien da schwierig, auch in Dvořáks Sinfonie konnten zunächst vor allem Einzelstimmen und Gruppen hervortreten wie die Streicher, die den zweiten Satz weich konturierten und nach dem Crescendo den »Fall« gediegen auffingen. Homogener im Sinne eines geschlossenen Tutti-Korpus‘ im Orchester gelangen vor allem der dritte und vierte Satz.
In Schumanns solitärem Konzertstück wirkten neben Stefan Dohr, dem Solisten des Abends, Andreas Becker, Florian Gamberger und Daniel Schimmer aus dem Orchester mit. Sie gehörten bereits bei György Ligeti zum klangvollen Hintergrund für Stefan Dohr. Ligeti hatte sich in seinem »Hamburgischen Konzert« Ende der neunziger Jahre auf das Naturhorn rückbesonnen, das er im Orchester vorschrieb, der Solist wechselte mehrfach vom Ventil- auf das Naturhorn. Gemeinsam ließen er und das Orchester einen Klang entstehen, der – wegen der leicht unterschiedlichen Tonalität – bewußt Schwebungen einbaute. Faszinierend war es zu verfolgen, wie sich dieser Klang räumlich ausbreitete, über die Instrumentengruppen in Bewegung geriet, eine Richtung suchte. Die Grenze, was daran Experiment war, wo aus dem Klang (oder Ton) Musik wuchs – vielleicht im rhythmischen Mittelteil? – blieb jedem selbst überlassen. Insofern war das mittlerweile über zwanzigjährige Werk (also eine Generation zurückliegend) für viele Besucher wohl immer noch fremd, es nahm vor allem durch seine Spannung ein, worin es das jüngere Werk sogar noch übertraf.
Minas Borboudakis‘ »Z – Metamorphosis« (der Buchstabe Z steht für das griechische Verb zeí und bedeutet »er lebt«) ist eine konzertante Fassung von Musik aus der gleichnamigen Oper des Komponisten. Handlung und Inhalt finden sich darin natürlich kaum wieder (oder gar nicht, wenn man die Oper nicht kennt). Eher denkt man beim Titel an Richard Strauss oder Benjamin Britten. Doch so stringent wie deren Metamorphosen sind jene Minas Borboudakis‘ nicht. Einen Wandel schließen sie ein, vor allem einen zwischen vielen Instrumenten bis hin zu e-Gitarre und Sampler, was fremde Effekte in das Stück bringt, teils aber trivial bis unschön wirkt. Immer dann, wenn Klänge ineinander greifen, gab es jedoch Spannungsmomente, wie am Anfang, als sich ein elektronisches Flimmern und ein Glockentriller langsam voneinander lösten. Solche Übergänge und Effekte traten mehrfach auf, zu einer geschlossenen oder gar rhapsodischen Form führten sie indes nicht.
31. März 2023, Wolfram Quellmalz