Zweites Sinfoniekonzert der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin
Als Gast und Solist steht zwar der »Wiener Ottensamer« im Mittelpunkt im aktuellen Sinfoniekonzert der Mecklenburgischen Staatskapelle, doch auch die Orchesterklarinetten tragen gehörig zum Abend bei.
Der begann gestern mit Jacques Iberts »Un chapeau de paille d’Italy«. Das Divertissement über einen Italienischen Strohhut (der, da sein Besitzer ihn verliert, von einem Esel gefressen wird) hat nicht nur ein heiteres Sujet, sein Komponist persifliert und karikiert darin manche Situation und Figur bis hin zur Form des Divertimentos – darin ein Nocturne zu verstecken, ist ziemlich einmalig.
Die Mecklenburgische Staatskapelle, deren aktueller GMD Daniel Huppert zum Ende der Spielzeit gehen wird, wurde diesmal von Daniele Squeo geleitet und trat zunächst als Kammerorchester in leicht verkleinerter Besetzung auf. Nicht nur luftig und leicht (wenn auch mit Turbulenzen) wurde die Geschichte einer Hochzeit, der ein Strohhut zum »Opfer« fiel, erzählt. Ob mit Flageolett des Konzertmeisters, Celesta oder eben vorwitzigen Klarinetten, mit parodierten Walzern oder Mendelssohns »Hochzeitsmarsch« in einer leicht »schrägen« Version – Iberts Musik sprühte vor Witz und machte sich über manche Tradition lustig.
Und doch bleibt sie – die Tradition – die Basis. Wohl denen, die damit umgehen können, wie Daniel Ottensamer, Solist der Wiener Philharmoniker. Im ersten Klarinettenkonzert von Carl Maria von Weber beeindruckte er mit weicher, eleganter Klangfärbung, mit scheinbar ansatzlosen Einsätzen und einer noblen Gestaltung. Die Mecklenburgische Staatskapelle folgte ihm unter Daniele Squeo willig und geschmeidig. Und nach der frechen Persiflage des Franzosen gab es nun die Welt der Deutschen Romantik zu hören – Vergleiche mit den Arien der Agathe oder des Ännchens lagen hier durchaus nahe. Doch neben dem sanften, singenden Ton konnte Ottensamers Klarinette auch Purzelbäume und im Finale gar Funken schlagen, lachen! Verblüffend war die Leichtigkeit, mit der Daniel Ottensamer diese Übungen vollführte. Als »Schmankerl« gab es eine leichtfüßige Phantasie, die mit Glissandi begann und mit wundersamem Windhauch endete.
Solche Lebendigkeit ist schwer zu überbieten, doch Daniele Squeo ließ sich nicht schrecken und schöpfte aus dem Farbenreichtum Antonín Dvořáks in dessen siebenter Sinfonie – sie ist eben viel mehr als nur das aus dem Wunschkonzert bekannte Scherzo. (Und wie schön, wenn Dvořák einmal nicht auf seine neunte Sinfonie beschränkt wird.) Die »Farbe«, das böhmische Melos, trugen vor allem Violoncelli und (wieder!) die Klarinetten bei, aber auch Blechbläser (mit manchen Intonationsschwächen allerdings) entfachten eine ziemliche Verve. Daß diese nicht in einen Tumult ausartete, sprach für die Umsicht des Dirigenten, der die vielen Soli gliederte und zusammenhielt – ein homogener Orchesterklang ist nicht nur das A und O, der Austausch zwischen Daniele Squeo und dem Orchester war offenbar mehr als nur »geordnet«, kollegial-kongenial.
19. November 2019, Wolfram Quellmalz
Heute und morgen noch einmal: Zweites Sinfoniekonzert, jeweils 20:00 Uhr, Großes Haus, Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin, Daniele Squeo (Leitung), Daniel Ottensamer (Klarinette), Werke von Jacques Ibert, Carl Maria von Weber und Antonín Dvořák