Erneuter Brückenschlag

Sächsisches Vocalensemble in der Annenkirche

Daß zwischen den Städten Prag und Dresden eine enge Partnerschaft besteht, zeigt sich seit der Historie bis heute. Amalie von Sachsen war in Dresden nicht nur als Mitglied der königlichen Familie bekannt, sondern auch als Komponistin geschätzt. Nicht zuletzt, weil sich Carl Maria von Weber, einer ihrer Lehrer, anerkennend über sie äußerte und ihre Werke aufführte. Zwischen 1813 und 1815 lebte Amalie in Prag und wurde mit der Musik und den Musikern dort vertraut. Da lag es für Matthias Jung und das Sächsische Vocalensemble nahe, ein Prager Orchester als Partner für die Konzerte des Wochenendes zu wählen. Am Sonnabend fanden sie in der Dresdner Annenkirche für ein Festkonzert mit dem Ensemble Musica Florea aus Prag zusammen, das am Sonntag noch einmal im Prager Kirche St. Simon und Judas wiederholt wurde.

Ursprünglich als Gedenkkonzert zum 150. Sterbetag Amalies (im vergangenen Jahr) gedacht, war das Festkonzert auch eines für das Sächsische Vocalensemble selbst. Neunzehnhundertsechsundachtzig gegründet, kann es in diesem Jahr sein 25jähriges Bestehen feiern – damit ist es einmal ein echtes, kein nachgeholtes Jubiläum.

Dafür standen fünf ganz außergewöhnliche Werke auf dem Programm: Mit Václav Jan Tomášeks Hymnus de Spiritu Sancto begann es mit dem eines Komponisten, der Amalie von Sachsen vertraut gewesen sein dürfte, von der Prinzessin wurden gleich drei Stücke, Salve Regina, Stabat Mater und Magnificat, aufgeführt, Webers Missa sancta Nr. 1 schloß den Abend. Liturgisch hatten die Werke ganz unterschiedliche Bezüge, aber schließlich ging es hier – im Festkonzert, keine Andacht – vor allem um die Musik.

Das Publikum erfuhr dabei eine in Farben und Effekten sich immer weiter steigernde Dramaturgie – schließlich hatte schon Tomášeks Hymnus mit Hörnern für besondere Klangfarben gesorgt. Die Werke Amalie von Sachsen gäben reichlich Anlaß für musiktheoretische Erwägungen. Einerseits, weil durch andere Hand (aufführungspraktisch) eingegriffen wurde, aber auch ein Einfluß von Vorbildern und Lehrern scheint immer wieder auf – ein Grund mehr, ihre Werke anzuhören. Dabei beeindrucken sie schon originär, also von der Idee her, gleichzeitig bewies Amalie ein Gespür für die Verteilung von Stimmen. Die Solisten des Abends, Felicitas Wrede (Sopran), Henriette Gödde (Alt), Martin Lattke (Tenor) und Tomáš Král (Baß) traten oft im Duett auf, wobei sie große Ausgewogenheit bewiesen. Die kurzfristig eingesprungene Felicitas Wrede konnte mit den meisten Soli Führungsstärke und Ausdruckskraft beweisen, dominierte die Ensembles jedoch nicht. Etwas bedauerlich war, daß Tomáš Král nur so wenige Passagen hatte – sein schöner, schlanker Baß ist gerade in der Annenkirche wohlvertraut. Henriette Gödde überzeugte mit gewohnt rundem Alt, während Martin Lattke sehr sicher war, manchmal aber etwas hölzern klang.

Die Artikulation der lateinischen Texte gelang dem Vocalensemble sehr gut, ebenso – vor allem bei Weber – die Darstellung getrennter Stimmpassagen. Die zutiefst romantische Missa sancta erinnerte nicht wenig an dramatische Opern – in früheren Jahrhunderten hatte man Komponisten solche genreüberschreitende Mitteleinsätze noch vorgeworfen! Weber hatte seinem geistlichen Werk außerordentliche Effekte bis hin zum von einem Solo des Cellos und Hörnern umrahmten Sopransolo eingepflanzt, die Matthias Jung mit gewohnt energischem Dirigat kontrastreich herausarbeitete.

Webers Missa überraschte schon zu Beginn: anders als üblich werden Kyrie eleisonChriste eleison wiederholt (zunächst mit Sopran und Chor, dann mit Tenor und Chor). Der Chor konnte sich in den fünf Messeteilen gleich mehrfach in Osanna steigern, seine Gestaltungskraft aber auch schon am Ende des Gloria romantisch-expressiv auf einen Höhepunkt führen. Manchmal allerdings, wie am Schluß des Magnificat Amalie von Sachsens, schien die Klangkraft deutlich übersteigert.

Musica Florea als farbenreicher Gestalter und Partner darf hier nicht vergessen werden, denn neben der sicheren Streicherbasis sorgten viele Soli der Bläser für Affekt, was Carl Maria von Weber mit weiteren Mitteln wie Tremoli noch von den Violinen bis zum Kontrabaß steigerte – eine eindrucksvolle Darbietung!

31. Oktober 2021, Wolfram Quellmalz

Nächstes Konzert des Sächsischen Vocalensembles in Dresden: 17. November, 17:00 Uhr, Annenkirche »Gott ist unsere Zuversicht«, Mitteldeutsche Kirchenmusik von Johann David Heinichen

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