César Frank und Johann Sebastian Bach in der Dresdner Frauenkirche

Kurzfristige Besetzungsänderung mit Überraschung

Selbst unter »normalen Umständen« kann es vorkommen, daß ein Organist kurzfristig absagen muß. Da ist es gut, wenn der Veranstalter gut vernetzt ist oder wenn der Organist einen Kollegen bitten kann, einzuspringen. Bernhard Haas und Christoph Schönfelder sind beide Dozenten an der Hochschule für Musik und Theater München, statt des ersteren kam also der zweite. Das Programm konnte er allerdings nicht komplett übernehmen. Zwar spielte Christoph Schönfelder auch ein Werk des Jubilars César Franck (wir feiern Ende des Jahres seinen 200. Geburtstag), aber gerade die von Bernhard Haas individuell vorgesehenen Pretiosen standen verständlicherweise nicht in seinem Programm. (Hoffen wir also, Bernhard Haas holt sie nach, denn gerade auf Charles Tournemire und den als Pianistenvirtuosen bekannten Charles Valentin Alkan ist der Rezensent gespannt.)

Überraschungen gab es dennoch, denn in manchen der von Christoph Schönfelder gespielten Stücke offenbarten sich zum Beispiel Elemente, wie in Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge C-Dur (BWV 547), das luftig von der Kern-Orgel ins Kirchenschiff schwebte, während das folgende »Da Jesu an dem Kreuze stund« (BWV 621 aus dem Orgelbüchlein) in sich gekehrt wohl eher dem tiefsinnigen Wasser entsprach. Später folgte noch das Element Feuer (Oskar Sigismund).

Während Bachs Präludium noch einem sehr tänzerischen Rhythmus gefolgt war, suchte (und fand) Christoph Schönfelder bei César Franck (Fantasie A-Dur aus den Trois Pièces) einen vor allem in der Stimmung verorteten, dennoch wandlungsfähigen Ausdruck. Während zuvor noch (BWV 621) der Baß schimmerte, im Kirchenschiff aber auch ein wenig zum »schwimmen« neigte, war das Schimmern bei Frank ein prägender, vordergründig gewollter Eindruck. Neben dem in Teilen und Charakteren festgelegten Wandel, der von bedächtig bis lebhaft reichte, gefiel nicht zuletzt Christoph Schönfelders variabler Umgang mit Tempi, welche die Flexibilität und Freiheit des Stückes unterstrichen.

Schön war es, wieder einmal den Orgelklang so »von oben« wahrzunehmen, wie dies in der Frauenkirche ganz besonders der Fall ist. Daß manches filigrane Werk an den Rändern verwischte, mag der kurzfristigen Besetzungsänderung und dem fehlenden Vorbereitungszeit geschuldet gewesen sein. Besonders reizvoll gelangen dagegen gerade kontrastreiche Stücke wie in Bachs Partita über »Sei gegrüßt, Jesu gütig«, das in elf Variationen einen Choral ausbaut. Einerseits unterscheiden sich die Variationen in der orchestralen Registrierung, bevor sie sich am Ende in einen großartigen, fünfstimmigen Schlußchor steigerten. Zu den schönsten Variationen davor zählten die mittleren, welche vom Gegensatz bzw. vom Gegenüber des strukturierten Basses und der Holzbläserregister, die sich bis in Singstimmen steigerten, erfrischt wurden.

Die wohl größte Entdeckung waren zwei Auszüge aus Oskar Sigmunds Contrapuncti Organales super B-A-C-H. Das moderne, zuweilen an die Chromatik Olivier Messiaens erinnernde Werke hatte Christoph Schönfelder mit den (in »falscher« Reihenfolge gespielten) Sätzen XII (Fuga) und II (Passacaglia) eine illustre, raumgreifende Wirkung.

Mit dem Choral und einer Improvisation über »Jesu meine Freude« verabschiedete sich der Organist von seinem Publikum.

17. März 2022, Wolfram Quellmalz

Die nächsten Konzerte des Dresdner Orgelzyklus‘ finden in der Kreuzkirche (23. März, Kreuzorganist Holger Gehring / Dresden), in der Katholischen Hofkirche (30. März, Domorganist Winfried Böning / Köln sowie in der Frauenkirche (6. April, Martin Strohhäcker / Dresden) statt. Am 13. April ist Bernhard Haas dann an der Orgel des Dresdner Kulturpalastes zu erleben. Er spielt ein Programm unter anderem mit Werken von Anton Bruckner und César Franck). Weitere Informationen unter:

www.kreuzkirche-dresden.de

www.bistum-dresden-meissen.de

www.frauenkirche-dresden.de

http://www.dresdnerphilharmonie.de

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