Lied in Dresden vielfältig ins neue Jahr gestartet
Am Sonntag bereits wurde mit dem ersten Konzert des neuen Jahres die Reihe Lied in Dresden im Konzertsaal der Musikhochschule fortgesetzt. Seitdem die Hochschule unter der Führung von KS Olaf Bär die Konzerte betreut, haben Studentinnen und Studenten des Hauses Gelegenheit, sich hier dezidiert mit dem Liedschaffen zu präsentieren. Diesmal spannten sie den Bogen weit – gemeinhin verbindet sich mit dem Liederabend eine konkrete Vorstellung, romantische Lieder. Schubert, Schumann oder Wolf sind die heißesten Anwärter in den Programmplätzen, Weber, Beethoven und Mozart oder ihre französischen Kollegen folgen nach. Daß die Spezialisierung – zugegeben auf hohem Niveau – manches entdeckenswerte ausschließt, machte dieser Liederabend deutlich, der diesmal von Schütz bis Blacher reichte.

Photo: NMB
Ob im 17. oder im 20. Jahrhundert – Lieder zeichnen sich vor allem durch zwei Dinge aus: ihre Intimität und die Individualität. Ausschnitte aus Heinrich Schütz‘ Kleinen geistlichen Konzerten zeugten zunächst davon, wie groß eine Wirkung noch bei reduzierten Mitteln sein kann. Wechselweise von Cembalo (Kathrin Hermann) oder Orgel (Kathrin Hermann und Richard Stier) begleitet, sorgten Alina König Rannenberg (Sopran) und Fabian Schulze (Tenor) sowie die beiden Baritone Willy Wagner und Felix Kober für andächtige Besinnung. Die Individualität zeigte sich zum Beispiel darin, wie unterschiedlich die gleiche Stimmlage klingen kann: Während Felix Kober eher einer lyrischen Empfindsamkeit folgte, offenbarte die kernige Stimme Willy Wagners stärker eine emotionale Seite. Das war durchaus einehmend, wie sich später noch einmal stärker bei zwei der Zwölf Geistlichen Liedern (Opus 137, Klavier: Robin Gaede) von Max Reger zeigte. Vor der Pause folgten zwei weitere der Lieder mit einem kleinen Sängerensemble.
Nicht nur bei Schütz, das gesamte Programm war in einem geistlichen Kontext entstanden, so auch Boris Blachers Drei Psalmen (142, 141, 121), welche Juyoung Mun und Seulgi Lee (Klavier) vortrugen. Verblüffend und anrührend war die klare (akzentfreie) Artikulation des Baritons! Auch Boris Blacher hatte sich auf eine Schlichtheit der Ausdrucksmittel besonnen, die hier eine außerordentliche Wirkung erreichte!
Im Gegensatz dazu brach Paul Hindemith in seinen Zwei Motetten (Nuptiae factae sunt und Ascendete Jesu in naviculam) die Formen auf, die deutlich von einem Erzählstil geprägt waren, ans opernhafte reichten. Sujin Lee (Sopran) und Seulgi Lee setzten darin die eindrücklichen Interpretationen des Abends fort.
Mit Geistlichen Liedern Carl Philipp Emanuel Bachs begann der zweite Konzertteil. Jonathan Mayenschein (Altus bzw. Counter) verband die Innigkeit der Aussagen bzw. Gebete mit der Körperlichkeit und dem Vibrato seiner Stimme. Ganz herrlich gelang das »Abendlied« – was könnte besser Zuversicht vermitteln?
Doch damit nicht genug: Anna-Lisa Gebhardt beeindruckte in vier der Geistlichen Lieder Antonín Dvořáks (natürlich in Originalsprache) mit ungeheurer Tiefe. Wohl auch, weil ihr ebenso wie Jonathan Mayenschein eine verblüffende Körperlichkeit in der Stimme möglich ist. Während man ihren Kollegen aber bereits aus vielen Auftritten kennt, überraschte die Altistin zunächst – so viel Reife kann man bei einem Abend mit Studenten keineswegs voraussetzen!
Weitere vier der Geistlichen Lieder Heinrich Schütz‘ sorgten schließlich für den Ausklang. Alina König Rannenberg, Kathrin Hermann und Marlene Walther (Sopran), Marie Bieber (Mezzosopran), Fabian Schulze sowie Willy Wagner und Felix Kober wurden wechselnd von Orgel (Richard Stier und Kathrin Hermann) oder Cembalo (Kathrin Hermann) begleitet.
Vier Jahrhunderte Musik, vierzehn Studenten, die teils selbst singen oder instrumental unterstützen, aber auch dezidierte Klavierbegleiter sind – bei aller Vielfalt ergab sich eine äußert konzise, geschlossene Form!
17. Januar 2023, Wolfram Quellmalz
Das nächste Konzert Lied in Dresden findet am 12. März statt. Dann sind Studenten der Universität der Künste Berlin zu Gast. Weitere Informationen in Kürze unter:
http://www.hfmdd.de/veranstaltungen/
Einen Überblick zur Ausbildung und zu den Auftritten der Liedklasse in Dresden finden Sie hier: