Sebastian Knebel in der Leubnitzer Kirche
Theoretisch könnte man fragen, wie bzw. für welchen Zeitraum die »Alte Musik« definiert sei – noch vor zwanzig Jahren wäre das ein Thema gewesen, vor zehn vielleicht schon nicht mehr. Denn längst sind Musikern wie Hörern die Grenzübergänge bewußt geworden (oder bewußter), praktisch hat die zeitliche oder musikalische Abgrenzung eine andere Bedeutung, macht eher einen Übergang deutlich. Und so paßte selbstverständlich das Konzert am Freitagabend mit Sebastian Knebel, der auf einem Hammerflügel (Kopie nach historischem Vorbild) Werke der Wiener Klassik und aus der Epoche der Empfindsamkeit spielte, ins Programm der Reihe »Alte Musik in Leubnitz«.
Gerade solche Begegnungen können sensibilisieren und mehr als nur ein Schlaglicht werfen. In diesem Fall bestand Gelegenheit, einen noch anderen Übergang als jenen der Alten Musik zu den nächsten Epochen (die immerhin in vergleichbar knappen Jahren folgten) festzustellen und nachzuerleben, einen Übergang bei den Instrumenten. Hier gibt es zwei parallele Fälle: allgemein sagt das Musiklexikon, daß das Hammerklavier nach und nach, aber schließlich endgültig das Cembalo verdrängt habe, ebenso wie sich die Violinfamilie gegenüber den Gamben durchsetzte. Hört man allerdings einmal genau hin, stellt man fest, daß in beiden Fällen die »Vorgänger« und »Nachfolger« in Klangfarbe und Charakteristik sehr unterschiedlich sind – kein Wunder, wenn sich Liebhaber an den »alten« Instrumenten festhielten. Sie taten es nicht aus mangelnder Fähigkeit zur Anpassung, sondern weil sie eben jene Farbe, jenen Charakter bevorzugten. In beiden Fällen, Violinen wie Hammerklavier (oder Fortepiano) vollzog sich der Prozeß der Ablösung über mehrere Jahrzehnte, eben weil den neuen Instrumenten bestimmte Eigenschaften der alten fehlten. Aus genau dem Grund gab es auch immer wieder Liebhaber, die Gamben und Cembalo erhielten. Doch mittlerweile gehört auch das Hammerklavier zu den »Alten« …

Doch genug der Theoretisiererei – derlei fällt einem (Rezensenten) jedoch ein, wenn man Carl Philipp Emanuel Bach, Wolfgang Amadé Mozart und Joseph Haydn auf dem Hammerflügel hört, der vor allem durch seine Stimmung, den Farbenreichtum und den sanglichen Ton auffällt. Zudem wußte Sebastian Knebel sehr gekonnt – noch ohne Pedal – dynamische Verläufe darzustellen. (Zum Vergleich: Kürzlich trafen wir die Cembalistin Alena Hönigová bei den Batzdorfer Barockfestspielen, wo sie unter anderem ebenfalls Carl Philipp Emanuel Bach spielte. Sie hatte sich wegen dessen rhythmischer Präsenz bewußt für das Cembalo entschieden.)
Sebastian Knebels Hammerflügel hat einen schönen, manchmal beinahe süßen Ton, dessen Charakteristik sich – typisch für solche Instrumente – mit der Tonhöhe ändert: »oben« ist der Ton singend und leicht, was das lyrische Spiel noch unterstrich, in den unteren Oktaven wird er kerniger, kann in den Bässen richtig bärig klingen (obwohl das Klavier einen geringeren Tonumfang als ein moderner Konzertflügel hat).
So wurde nicht nur Carl Philipp Emanuel Bachs Fantasia C-Dur aus der Sammlung Nr. 5 für den Kenner und Liebhaber zu einem Genuß für dieselben, gerade bei Mozart und Haydn, deren Stücke den meisten wohl am genausten bekannt waren, konnte man den Unterschieden nachspüren, also in den Feinheiten. Daß der Hammerflügel kleiner ist, leiser klingt, daran hatte sich das Publikum schnell gewöhnt. Eigentlich wäre es in dieser fast stillen Atmosphäre noch schöner gewesen, auf Zwischenapplaus zu verzichten (so wie man es bei den raren Musikstunden mit Clavichord manchmal erlebt).
Nicht immer, zeigte sich aber auch, gehen die schönen alten Eigenschaften auf dem neueren Instrument ganz verloren – Bachs Fantasia perlte auf dem Hammerflügel noch ganz wunderbar (obwohl anders als auf dem Cembalo)! Als Entdeckung erwies sich wieder einmal Johann Christian Bach (der »Mailänder« bzw. »Londoner Bach«), der als jüngster Sohn des berühmten Vaters und weitgereister (sowie konvertierter) Musiker die neue Zeit auch am innovativsten in seinen Stücken ausdrückte. Wesentlich dafür war die feingliedrige, ausgewogene Darstellung auf dem Hammerflügel, dessen brillante Seite Sebastian Knebel mehrfach vorzeigte.
Wie auch dessen dunkle – Mozarts Fantasia d-Moll (KV 398) ist ein zutiefst bewegendes Werk, selbst wenn es zunächst eher ruhig scheint und nicht mit Expressivität auffiel. Im Konzert näherte sich die Fantasia im Gestus beinahe dem Adagio sostenuto aus Beethovens Opus 27 Nr. 2.
17. September 2022, Wolfram Quellmalz
Die Alte Musik in Leubnitz geht heute mit einem Konzert des DresdnerMotettenchores mit dem Gambenconsort des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden (Leitung: Matthias Jung) zu Ende. Unter dem Titel »Ich bin ein rechter Weinstock« erklingen Werke von Heinrich Schütz und anderen. Kirche Altleubnitz (Haltestelle: , Beginn: 17:00 Uhr.