Kirche als Klangraum

Kreuzvesper vor dem Sonntag Rogate mit dem Vocal Concert Dresden

Die Kreuzvesper am vergangenen Sonnabend mit dem Vocal Concert Dresden führte musikalisch von Bach bis heute und zeigte dabei wieder eines: die Vorstellung von Kontinuität und Musikepochen sollte man doch immer wieder hinterfragen. Schon bei Johann Sebastian Bach scheiden sich die Geister: viele sagen, Bach sei Bach und nicht Barock.

Bei seinem Sohn Carl Philipp Emanuel und dessen »Bitten« (Wq 208, Nr. 3 aus den 4 Singstücken nach Gellerts Liedern) zum Beispiel scheint die Tür bereits zur Romantik geöffnet, denn die Motette entspricht in vielem dem, was wir wenige Jahre später im romantischen Lied wiederfinden. Das Vocal Concert Dresden sorgte dafür, daß bereits die vier Strophen dieses Anfangsstückes ebenso anregend wie hingebungsvoll präsentiert wurden. Auch die Begleitung zeigte sich variabel – neben a-cappella-Zeilen gab es Orgelbegleitung (Kreuzorganist Holger Gehring) und eine wechselnd zusammengestellte Basso continuo–Ergänzung (Uta Büchner / Barockcello und Thomas Grosche / Violone).

Das Vocal Concert Dresden in der Kreuzvesper am 13. Mai, Photo: Kreuzkirche Dresden

Johann Sebastian Bachs folgende Motette »Fürchte dich nicht, ich bin bei dir« (BWV 228) vollzog in den verwobenen Versen, was sich zuvor instrumental abgespielt hatte – eine enge Verbundenheit bei gleichzeitig großer Textausdeutung. In »Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen« von Willy Burkhard (aus dem Kleiner Psalter Opus 82 von 1950) stand dann ganz die schlichte Textvermittlung im Vordergrund.

Ein Epochenwechsel oder -übergang ist oft in den Programmen der Kreuzvesper erfahrbar, und selbst so eindeutig festgelegte Werke wie Felix Mendelssohns Orgelsonate Opus 65 Nr. VI (die den Choral »Vater unser im Himmelreich« einschließt) können ihre Zeit unterschiedlich widerspiegeln. Holger Gehring hob den romantisch-geschmeidigen Tonfall hervor und ließ das Andante feierlich schimmern.

Das Vocal Concert Dresden versteht es, seine Werke durchaus raffiniert zu präsentieren: für das »Greifswalder Vater unser« von Wolfgang Kupke, in dem der Komponist das Geläut des Greifswalder Domes aufgegriffen hat, verteilten sich die Sänger im gesamten Kirchenschiff, um in den Männerstimmen die Geläuttöne aufzunehmen, während eine Frauengruppe im Altar den Text vortrug – eindrucksvoll!

Das Vaterunser und das Gebet standen im Mittelpunkt des folgenden Sonntages Rogate, wie Pfarrerin Carola Ancot ausgeführt hatte. Insofern schlossen sich nicht nur der Gemeindegesang (EG 344 »Vater unser im Himmelreich«), sondern auch Joseph Haydns »Abendlied zu Gott« (Hob. XXVc:9) sowie Max Bruchs »Gebet« (Opus 60, Nr. 4) an.

Nach der Vesper verabschiedeten die Dresdner Turmbläser (Leitung: Sebastian Schöne) die Gemeinde.

16. Mai 2023, Wolfram Quellmalz

Die Kreuzvesper am kommenden Sonnabend wird von Cornelia Kieschnik (Alt), Sebastian Schöne (Trompete) und Katy von Ramin (Orgel) gestaltet: Liturgie: Superintendent Christian Behr

http://www.kreuzkirche-dresden.de

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